Sprache Sprache: Das kleine Esszett bekommt ein großes Pendant

Düsseldorf/dpa. - Der Niedergang des scharfen S muss Mitleid erregthaben, denn inzwischen legen sich mächtige Fürsprecher ins Zeug,damit das kleine Esszett groß herauskommt. Das Deutsche Institut fürNormierung (DIN) bemängelt, dass dem ß eine Variante für dieGroßschreibung fehlt.
Die Internationale Standardisierungs-Organisation ISO hat dendeutschen Vorstoß der DIN-Leute nun wohlwollend aufgenommen. Dasscharfe S soll endlich auch als Großbuchstabe in den internationalenSchriftzeichenkatalog aufgenommen werden. Die Bundesregierung hatschon im vergangenen September ihren Segen erteilt.
In einigen Monaten wird dem großen ß voraussichtlich ein festerPlatz im Zeichensatz ISO-10646 zugewiesen, genauer gesagt: diePosition 0x1E9C. Damit wäre ein fast 130-jähriger Einsatz für eingroßes ß doch noch gewonnen.
In den 1950er Jahren zierte das große ß bereits den GROßEN DUDENder DDR. «Aber das ist wieder eingeschlafen», berichtet der LeipzigerTypograph Andreas Stötzner. Die eklatante Lücke im Normenkatalogmusste bei jedem systematischen Geist Unbehagen auslösen: Bislanggibt es 100 000 verschiedene Schriftzeichen. Auch die Schrift längstausgestorbener Sprachen ist international standardisiert undnormiert, nicht aber ein großes ß.
«Das ß ist beileibe kein Exot», rechtfertigt Cord Wischhöfer vomDeutschen Institut für Normierung (DIN) die Bemühungen. Trotz derKrücke «aus ß wird in Großschreibung SS» kommt es zu Sprach- undSinnverwirrung: War bei der MASSE die Masse gemeint oder waren es dieMaße?
Besonders in Namen stellt sich das Problem. Es soll sogar schonSteuerzahler gegeben haben, die die Forderungen des Finanzamts anESSER oder PREUSS mit dem Hinweis zerrissen, man heiße schließlichEßer oder Preuß. Die behördliche Großschreibung der Nachnamen birgtsomit eine gefährliche Unschärfe, die endlich entschärft wäre.«Deswegen sind schon Prozesse geführt worden», berichtet Stötzner.Schließlich behalf man sich damit, dass um der Eindeutigkeit willenauch in der Großschreibung das kleine ß verwendet werden darf.
Nun zerbrechen sich Schrift-Designer den Kopf darüber, wie dasgroße Esszett aussehen könnte. In der von Stötzner herausgegebenenFachzeitschrift «Signa» sind die Bemühungen der Graphologen bis insDetail dokumentiert. Das große Esszett sollte dem kleinen ß ähnlichsein und nicht mit dem großen B verwechselt werden. Mit mehrerenVarianten für gängige Schriftarten haben die Designer das Problemelegant durch unterschiedlich große Bögen und eine unten offene Typegelöst. Allein: In der Handschrift sieht das große ß dem versalen Bdoch wieder zum Verwechseln ähnlich.
Außerdem müssen auch die Tastaturen-Hersteller eines Tages bereitsein, das ß aus seinem Schattendasein unter dem Fragezeichen zuerlösen und zu einer eigenen Taste auf der deutschen Tastatur zuverhelfen, wie es dem dann vollwertigen 27. Buchstaben des Alphabetsgebührt - die Umlaute nicht mitgezählt.