Schwere Vorwürfe von Schabowskis Frau Schwere Vorwürfe von Schabowskis Frau: Museum soll Schabowskis Mauerfall-Zettel von einem Dieb gekauft haben

Berlin - Eben noch erschien es wie die überraschende Entdeckung eines verlorenen Schatzes, nun wird die Geschichte plötzlich zum Krimi: Just am Tag, da der jahrelang verschollene SED-Sprechzettel, der 1989 den Mauerfall auslöste, im Bonner „Haus der Geschichte“ erstmals öffentlich ausgestellt wurde, meldet sich die Ehefrau des Verfassers: „Das ist der kaltblütige Verkauf einer gestohlenen Sache“, schimpfte am Freitag Irina Schabowski, Gattin des Ex-SED-Politbüro-Mitglieds Günter Schabowski. Er hatte die legendäre Ost-Berliner Pressekonferenz vom 9. November 1989 anhand genau dieses Sprechzettels geleitet.
Sie sei fassungslos über die Meldung aus Bonn, sagte Frau Schabowski der Deutschen Presse-Agentur. Ihr Mann, der inzwischen 86 Jahre alt und nach mehreren Infarkten sehr krank ist, habe seine Notizen nie verschenkt. Der Zettel sei auch nie verschollen gewesen, sondern nur verborgt.
Eine Auktion hätte ein Zigfaches gebracht
Die Meldung bringt nun auch die Stiftung „Haus der Geschichte“ in die Bredouille. Immerhin handele es sich bei dem dünnen Blatt liniierten Papiers mit seinen krakeligen Kugelschreiber-Notizen und roten Unterstreichungen um „eines der wenigen Dokumente der jüngeren Zeitgeschichte, von dem man sagen kann, dass es die Weltgeschichte beeinflusst hat“. So hatte es Stiftungspräsident Hans Walter Hütter höchstpersönlich gesagt – und damit den Kaufpreis von 25.000 Euro verkündet und gerechtfertigt. Bisher hing in seinem Museum nur eine Fotokopie des Zettels, die ein Historiker einst gemacht hatte. Immerhin sind das die – lückenhaften – Notizen, die zum versehentlichen Fall der Berliner Mauer führten. Das Original würde dem Besitzer in privater Auktion ein Zigfaches der Kaufsumme einbringen, so Hütter.
Doch was heißt Besitzer? Nun, da sie von der Nachricht über den Verkauf und den eigentlichen Wert des Papiers hörte, bestreitet Schabowskis Ehefrau vehement, dass der Zettel jemals den Eigentümer wechselte. Die Schabowskis hätten lediglich Anfang der 1990er Jahre einige Dokumente an Bekannte verliehen, die sie dazu gedrängt hätten, um sie sich näher anzusehen. Klingt kyptisch. Der strittige Zettel sei jedenfalls dabei gewesen – und trotz wiederholter Bitten nie zu seinem Verfasser heimgekehrt. „Wir haben nichts verschenkt“, fasst Frau Schabowski zusammen. „Das ist eine Krimigeschichte mit dem Zettel.“
Das „Haus der Geschichte“ reagiert gelassen auf die Vorwürfe: „Wir haben das Papier rechtmäßig erworben und können einen gültigen Kaufvertrag vorweisen“, sagte Pressesprecher Peter Hoffmann am Freitag dieser Zeitung. Der Vorbesitzer wolle zwar anonym bleiben, habe aber „glaubhaft versichert, dass er der rechtmäßige Besitzer des Zettels ist“. Er habe ihn „aus dem Umfeld Schabowskis“ erhalten. Wenn dessen Frau das anders sehe, liege es nun an ihr, Strafanzeige zu erstatten.
Kein Kontakt zu Schabowski aufgenommen
Den Erwerb des Dokuments hatte das Museum noch stolz in einer eigenen Pressemitteilung verkündet. Doch während es seine Echtheit in „intensiver Prüfung“ bestätigte, versäumte man, in der Sache Kontakt zu Schabowski aufzunehmen. Man habe ihn vor Jahren schon einmal für ein Zeitzeugen-Interview angefragt, erklärt Sprecher Hoffmann. Schon damals sei Schabowski aber zu krank gewesen, sodass man nun keine Veranlassung sah, ihn erneut zu behelligen.
Stattdessen machte das Museum 25.000 Euro locker, um den Zettel „in seine Sammlungen zu übernehmen“ und in der Dauerausstellung zu präsentieren – neben den TV-Aufnahmen der Pressekonferenz. In dieser hatte Schabowski der Weltpresse, entlang der Gliederung seines Sprechzettels, diverse Beschlüsse des Politbüros übermittelt, dann eine Erklärung von DDR-Staatschef Egon Krenz verlesen, die künftige Reisen in den Westen ermöglichen sollte – und auf die Nachfrage, ab wann das gelte, keine Antwort in seinen Notizen gefunden. Also stammelte er, inhaltlich falsch: „Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort... unverzüglich“. Der Rest ist Geschichte – die aber offensichtlich noch nicht bis ins kleinste Detail zu Ende ist.
