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Schönebeck Schönebeck: Die Salzblume blüht am Ufer der Elbe

Von GÜNTER KOWA 13.07.2010, 18:39

SCHÖNEBECK/MZ. - Kein Wasser ergießt sich mehr aus dem Füllhorn der "Elbe". Die allegorische Frauengestalt steht auf ihrem Sockel im Marktbrunnen von Schönebeck und harrt der Reparatur, für die derzeit ein Förderverein auf Betteltour geht. 1908, als der in Luther- und Kriegerdenkmälern viel beschäftigte Schkopauer Bildhauer Paul Juckhoff den Brunnen schuf, schenkte ihn der Bürgermeister mit Namen Schaumburg seiner Stadt, wie eine Plakette verkündet. Solche Glanzzeiten sind vorbei, genauso wie die tragenden Wirtschaftszweige der Stadt, die die drei männlichen Figuren zu Füßen der Flussgöttin symbolisieren.

Der "Bergmann" hat seit 1967 ausgedient, als die Saline ihre Produktion einstellte, und vor ihm schon der "Elbschiffer", der auf Segelschiffen die Braunkohle für die Dampfmaschinen des Förderturms heranbrachte - dem Ursprung letztlich für den örtlichen Maschinenbau, für den der Arbeiter mit dem Zahnrad steht: Lang ist es her.

So reichen die Gründe für den Niedergang Schönebecks über den demografischen Wandel hinaus. In ihrem Beitrag zur Internationalen Bauausstellung (IBA) besinnt sich die Stadt wohl auch deshalb auf ihre Geschichte und benennt ihr Projekt allein mit einer Jahreszahl.

1774 ließ Friedrich II. auf Antrag des Salinenpächters Abraham Gansauge im Dreieck von Schönebeck, Frohse und Groß Salze (seit 1803 Bad Salzelmen) Kolonistenstraßen anlegen, um neue Arbeitskräfte für die Saline anzusiedeln. Im dritten Anlauf zu seiner IBA-Bewerbung schlug Schönebeck 2008 vor, seine drei Ortskerne entlang dieses Straßengerüstes zu stärken. Bad Salzelmen freilich braucht kaum Unterstützung, denn nach der Wende flossen Fördergelder ohne Ende in den "ältesten Kurort Deutschlands". Frohse soll für den Wassersport ausgebaut werden, wird aber über den Status eines einstigen Fischerdorfes kaum hinauswachsen.

Es ist die Altstadt von Schönebeck, die dringend einen Schub braucht. Durchgangsstraßen belasten, die Bahnlinie durchschneidet sie. Der Wegfall des Kreissitzes hat sie geschwächt, es gibt weder Ämter noch nennenswerten Handel, selbst die Sparkasse verlegte ihren Verwaltungssitz. Wegen historischer Bauten und Straßenzüge wird niemand anreisen, zumal einer der letzten Fachwerkbauten jüngst abgerissen wurde.

Der Leerstand hat zu Kahlschlägen geführt, ob in den Wohnvierteln oder am Markt. Dort liegt eine Brache, wo noch vor wenigen Jahren ein Jugendstil-Kaufhaus stand. Immerhin soll jetzt ein Wohn- und Geschäftshaus gebaut werden, wofür es einen Architektenwettbewerb gab. Die Vermarktung der Brachen in den Wohnquartieren dagegen stockt, dort soll nun in einem "Parzellenpark" die ausgesäte Wildblütenpracht für potentielle Wohnidyllen werben.

Die besten sind freilich schon nach der Wende entwickelt worden, nämlich am Elbufer. Nach Entwürfen des Architekten Karl-Friedrich Gehse entstand eine Kolonie von Wohnhäusern in einem vor Giebelchen und Säulchen strotzenden postmodernen Stil, und dazu ein monumental angehauchter Platz mit der symbolschweren Plastik der "Salzblume". Doch am Elbtor, wo die Stadt auf den Strom hinaus zu greifen scheint, haben Privatleute erst nach 2000 Gründerzeit- und Fachwerk-Bauten wiederhergestellt, müssen aber auf positive Auswirkungen auf die Innenstadt hoffen, wie Hausbesitzer Frank Mehr in der IBA-Broschüre sagt: "Es fehlt mir eine klare Perspektive, was mit und durch die IBA alles geschehen soll."

Auch in der Kommunalpolitik scheint nicht alles rundzulaufen. Eine Stadtentwicklungsgesellschaft ging in Konkurs, manche Stadträte werfen Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase vor, Beschlüsse zur Stadtsanierung nicht umzusetzen. "Für die Altstadt ist es fünf nach zwölf", moniert die ehemalige Geschäftsführerin der städtischen Wohnungsgesellschaft und SPD-Stadträtin, Annemarie Stange.

Sie war im Amt, als die Gesellschaft noch fast alle Häuser in der Innenstadt verwaltete, doch es waren die langwierigen Rückgabeverfahren, die die Entwicklung hemmten. Das Unternehmen ist nur bedingt ein Akteur in der Stadtentwicklung. Es kaufte das Kaufhaus-Grundstück am Markt und investiert dort 3,7 Millionen Euro, 1,7 Millionen flossen in den Umbau eines Stiftsgebäudes zur betreuten Wohnanlage. Der "Parzellenpark" entsteht auf Brachen, wo die Wohnungsgesellschaft Gründerzeithäuser abreißen und die Flächen wenig einladend umzäunen ließ. Die Plattenbausiedlungen, alle innerhalb des Dreiecks der Kolonistenstraßen, sind wegen des billigen Wohnraums weiter gut belegt.

Interesse an der Altstadt kommt aus dieser Mieterschaft also eher nicht. Aber auch zahlungskräftige Interessenten werden abgeschreckt, so lange die geplante Umgehungsstraße noch fehlt. Auch die "Kolonistenstraßen" leiden unter der Verkehrsbelastung. Stadtplaner Michael Gremmes sieht den Sinn im IBA-Motto Schönebecks im Perspektivwechsel, weg von den Problemen, hin zu den Potentialen. Die IBA, sagt er, "hat den Blick auf die Gesamtstadt und das Imageproblem gerückt", sie habe "die Stadtentwicklung in die öffentliche Diskussion zurückgebracht."

Bürger, Hausbesitzer und Händler wollten nun Fortschritte sehen. Und dass die Stadt ihr wertvollstes Gut, die einzigartige Lage an der Elbe, noch nicht ausgeschöpft hat, zeigt sich im Plan, die verwilderte Saline-Insel in ein "Paradies am Wasser" zu verwandeln - eine Utopie, an der Schönebeck unerschrocken festhalten sollte.