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Russland Russland: Tausende nehmen Abschied von Solschenizyn

05.08.2008, 17:48
Jermolai Solschenizyn, einer der drei Söhne von Alexander Solschenizyn, nimmt zusammen mit seinem Sohn Abschied am Sarg des Schriftstellers in der Akademie der Wissenschaften in Moskau. (Foto: dpa)
Jermolai Solschenizyn, einer der drei Söhne von Alexander Solschenizyn, nimmt zusammen mit seinem Sohn Abschied am Sarg des Schriftstellers in der Akademie der Wissenschaften in Moskau. (Foto: dpa) EPA

Moskau/dpa. - Tausende Menschen haben in Moskau am offenen Sarg von Alexander Solschenizyn Abschied genommen. Unter den Trauergästenin der Akademie der Wissenschaften am Lenin-Prospekt war am Dienstag auch Regierungschef Wladimir Putin, wie das Staatsfernsehen zeigte. Der frühere Kremlchef legte vor einem großen Fotoporträt des früheren Regimekritikers und Literaturnobelpreisträgers rote Rosen nieder. Hunderte Moskauer warteten im strömenden Regen auf Einlass. An diesem Mittwoch soll Solschenizyn, der ein tief gläubiger orthodoxer Christwar, auf dem Friedhof des Moskauer Donskoi-Klosters beigesetztwerden.

Der Autor, der durch die literarische Aufarbeitung des Stalin-Terrors Weltruhm erlangte, war am Sonntagabend im Alter von 89 Jahrenin Moskau gestorben. Zu seiner Bestattung wird auch Präsident DmitriMedwedew erwartet, der dafür seinen Urlaub an der Wolga unterbricht.Bei eine Zeremonie in der Akademie, bei der Trauerreden am Dienstagnicht vorgesehen waren, nahm Solschenizyns Witwe Natalia mit Söhnenund Verwandten Beileidsbekundungen entgegen. Neben dem mit weißemSatin ausgelegten Mahagoni-Sarg des Schriftstellers standen einemilitärische Ehrenwache und eine Fahne Russlands mit schwarzemTrauerband. Solschenizyns Tod hatte weltweit Trauer ausgelöst.

Nach der Veröffentlichung seines Hauptwerks «Archipel Gulag» 1973war Solschenizyn des Landes verwiesen worden. 1994 kehrte er nachRussland zurück. Er galt als Verkörperung der Schrecken und Leidenvon Millionen von Menschen unter dem sowjetischen Diktator JosefStalin. Solschenizyns literarische und historische Aufarbeitung derVerbrechen des kommunistischen Regimes hatte Menschen weltweit dieAugen für die Brutalität des Totalitarismus geöffnet. Unter Stalinkamen in Straflagern, die die Sammelbezeichnung Gulag hatten, nachSchätzungen viele Millionen Menschen qualvoll ums Leben.

Unter den Trauergästen waren am Dienstag auch zahlreiche ehemaligepolitische Häftlinge. «Ich bin ebenfalls durch die Schrecken desGulag gegangen», sagte die Lehrerin Ljudmila Aleksejewna und legterote Nelken vor dem Sarg nieder. Sie sei mit einer Freundin gekommen,um sich von einem «einzigartigen Menschen» zu verabschieden. AusLautsprechern ertönte leise getragene Musik. Am Abend sollte der Sargzum Donskoi-Kloster im Südwesten der russischen Metropole gebrachtwerden.

Aus dem Ausland trafen zahlreiche Kondolenzschreiben bei derFamilie ein. Darin würdigten Politiker wie US-Präsident George W.Bush und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), aber auch vieleKünstler den Gestorbenen. Russische Zeitungen werteten den Tod amDienstag als großen Verlust. «Solschenizyn hat mehr als genug getan,um in die Liste der Unsterblichen einzugehen», schrieb der«Kommersant». Die Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta»kommentierte: «Solschenizyn nutzte sein langes Leben nicht für sich,nicht für Vergnügen und Reisen, sondern für die tägliche Arbeit amWohl der russischen Literatur.» Und das Blatt «Twoj Den» titelteschlicht: «Alexander der Große». Der Moskauer Verlag «Wremja» plantbis 2010 die Veröffentlichung einer Gesamtausgabe der WerkeSolschenizyns in 30 Bänden.dpa wo xx z2 bj 051637 Aug 08