1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Rolf Hoppe ( 87: Rolf Hoppe ( 87): Zum Tode des Märchenkönigs ... und Cowboys Rabbis Puppenspielers

Rolf Hoppe ( 87 Rolf Hoppe ( 87): Zum Tode des Märchenkönigs ... und Cowboys Rabbis Puppenspielers

Von Steffen Könau 17.11.2018, 09:00
Rolf Hoppe im Jahr 2015. Das Foto entstand in seinem Haus am Rand von Dresden, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Rolf Hoppe im Jahr 2015. Das Foto entstand in seinem Haus am Rand von Dresden, wo er bis zu seinem Tod lebte. dpa

Halle (Saale) - Wie er die Oberlippe ganz schmal zusammenpresst und sie dann leicht kräuselt, eine Bewegung fast nur aus dem Mundwinkel heraus, das machte ihm niemand nach. Rolf Hoppe, in Lederweste und Cowboystiefeln, den breitkrempigen Hut in die früh licht gewordene Stirn zurückgeschoben, hatte vielleicht Probleme, einen Revolver wirklich schnell zu ziehen, wie eine unvergessliche Szene im Defa-Indianerfilm „Spur des Falken“ mit Hoppe als Gangsterboss James Bashan zeigt. Aber einen schlechten Menschen zu spielen, ohne die Zähne zu fletschen, das konnte kaum jemand so wie der Thüringer: Das runde, gemütliche Gesicht mit der fleischigen Nase bewegte sich minimal. Hoppe gähnte, er schmunzelte oder er lachte sogar. Aber mit einem kaum sichtbaren Hochziehen der Augenbraue signalisierte er höchste Gefahr.

Rolf Hoppe: Der Bäckerlehre folgt die „Spielwut“

Dabei war Rolf Hoppe, am Nikolaustag 1930 in der Kleinstadt Ellrich am thüringischen Südrand des Harzes geboren, die große Karriere nicht in die Wiege gelegt worden. Als Sohn eines Bäckermeisters steht er schon mit 15 in der Backstube, weil der Vater an der Front ist. Einer Bäckerlehre folgen Jahre als Kutscher, nur nebenbei kann Hoppe das austoben, was er später seine „Spielwut“ nennen wird.

Rolf Hoppe ist Mitglied der „Südharzer Jungspatzen“, einer Schauspielgruppe der Antifa-Jugend, er singt im Chor der FDJ und begründet das Laientheater seiner Heimatstadt mit, an dem er seine ersten Rollen spielt, damals noch ein schmaler Knabe mit scharfem Scheitel. Der junge Rolf träumt davon, Schauspieler zu werden - eine Schnapsidee in Zeiten, von denen sein späterer Wegbegleiter am Theater in Halle, der Hallenser Günthi Krause, einmal gesagt hat, dass das Gefühl des „Hurra, wir leben noch!“ Kräfte freigesetzt habe, die den beständigen Mangel an Brot und Perspektive wunderbarerweise ausglichen.

Wunder brauchte Rolf Hoppe dringend. Denn kaum hat er sein Schauspielstudium am Staatlichen Landeskonservatorium in Erfurt beendet, scheint seine Karriere auch schon vorüber zu sein. Hoppe verliert seine Stimme, für einen Theaterschauspieler ebenso schlimm wie der Verlust des Kopfes. Deprimiert und verzweifelt schlägt sich der gerade 20-Jährige als Tierpfleger beim Zirkus durch. Rettung bringt erst ein Umzug nach Halle: Am Institut für Sprechwissenschaft helfen Profis dem ambitionierten Nachwuchsschauspieler, seine Stimme richtig einzusetzen.

Rolf Hoppe: Erste Chance in Halle am Theater der jungen Garde

Das Theater der jungen Garde in der Saalestadt gibt Hoppe schließlich eine Chance, sich zu beweisen. Hoppe spielt den Truffaldin in Schillers „Turandot“, er ist der Steuermann im Kinderstück „Robinsons Abenteuer“ und über die Stationen Greifswald, Leipzig und Gera landet er schließlich Anfang der 60er Jahre am angesehenen Staatstheater Dresden, wo er die Titelrolle in Shakespeares „König Lear“ besetzt. Die Sachsen lieben ihn und die Berliner entdecken ihn nun auch.

Im Jahr nach dem Mauerbau ruft die DDR-Filmfabrik Defa zum ersten Mal nach Hoppe. Die Rolle im Krimi „Jetzt und in der Stunde meines Todes“ ist klein, doch sie öffnet Hoppe eine Tür. Jahr um Jahr steht der Mittdreißiger, inzwischen ein Charakterkopf mit einer Stirn bis in den Nacken, nun vor der Kamera und immer verwandelt er die Nebenfiguren, die er verkörpert, in tragende Gestalten. Hoppe, seit 1962 mit seiner Friederike verheiratet, hat eine magische Präsenz. Er beeindruckt als sozialistischer Brigadier und als Nazimörder, als tumber Polizist, frauenfeindlicher Ritter und zynischer Krimineller. Die Zeit beim Zirkus kommt ihm zupass, als in Babelsberg die Indianerfilme boomen: Der runde, knubbelige Hoppe kann hervorragend reiten und wird damit zum idealen Gegenspieler des ranken, schlanken und muskulösen Defa-Chefindianers Gojko Mitic.

Es geht ihm darum, Geschichten zu erzählen, Menschen zu erreichen und sie emotional zu berühren. „Im Grunde bin ich ein Clown, der aus der Perspektive eines naiven Kindes auf die Welt sieht und die Menschen zum Lachen bringt“, beschreibt sich Rolf Hoppe selbst. Sein Geheimnis: „Wenn einer dumm wirkt, muss er einen hellen Geist haben, wenn einer dick ist, muss er agil sein“, glaubt der Vater zweier Töchter, die heute selbst als Schauspielerinnen arbeiten. Hoppe geht deshalb überall hin, wo ihn Menschen sehen wollen.

Rolf Hoppe macht 1965 erstmals Bekanntschaft mit der DDR-Zensur

Der stille, ruhige Star, der 1965 erstmals Bekanntschaft mit der DDR-Zensur macht, die den Film „Karla“ sperrte, sechs Jahre später aber den DDR-Nationalpreis verliehen bekommt, glänzt als König in „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, er erdet das Jugenddrama „Für die Liebe noch zu mager?“ und ist August III. im TV-Sechsteiler „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“. Daran, die DDR zu verlassen, denkt Hoppe nie. „Es gibt Bäume, die man verpflanzen kann - dazu gehöre ich nicht“, hat er später bekannt und es „eine menschliche Antwort, keine politische“ genannt.

Die Filmwelt muss den Meister der kleinen Geste in der DDR finden - und sie tut es. Mit seiner Rolle als Göring im Spielfilm „Mephisto“ , der 1982 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhält, setzt Rolf Hoppe sich ein Denkmal, mit dem Aufbau seines kleinen „Liebhabertheaters“ in der Dresdner Heide erfüllte er sich noch im hohen Alter einen Traum. Rolf Hoppe starb am Mittwoch dieser Woche daheim in Dresden. Er wurde 87 Jahre alt. (mz)

„Bronsteins Kinder“, 1990
„Bronsteins Kinder“, 1990
Keystone
„Spur des Falken“, 1968
„Spur des Falken“, 1968
Defa-Stiftung
„Mephisto“, 1981
„Mephisto“, 1981
Picture Alliance
„Sachsens Glanz und Preußens Gloria“, 1985
„Sachsens Glanz und Preußens Gloria“, 1985
Defa-Stiftung