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Robin Hood Robin Hood: «Eine Erfindung der Balladen-Muse»

Von CHRISTIAN SATORIUS 07.05.2010, 15:30

Halle/MZ. - Mit seiner Bande Geächteter, zu der u. a. auch der fröhliche Mönch Bruder Tuck und seine große Liebe Marian gehören, versteckt er sich tief im Sherwood Forest und kämpft von dort aus nicht nur gegen den bösen Sheriff von Nottingham und die verhassten normannischen Besatzer, sondern auch für seinen König Richard Löwenherz und somit für sein geliebtes England.

Alles Quatsch - nichts davon wird in den ältesten Balladen erwähnt. Es kommt sogar noch schlimmer! Der Harvard-Professor Francis James Child ist sich sicher, dass Robin Hood nie gelebt hat: "Er ist ganz und gar eine Erfindung der Balladen-Muse". Kann das wirklich sein, ist alles nur reine Erfindung, pure Phantasie?

Die ältesten Balladen über Robin Hood, die erhalten sind, stammen aus dem 15. Jahrhundert. Literaturwissenschaftler gehen aber davon aus, dass diese Textfassungen sich auf noch weitaus ältere Quellen stützen. In der Tat findet sich in einer alten englischen Schriftrolle aus dem Jahr 1225 der Eintrag "Rob. Hod. fug.", was soviel bedeutet wie "Rob. Hod. flüchtig". Also doch ein Indiz, dass es eine historische Person mit dem Namen Robin oder Robert Hod bzw. Hood wirklich gegeben hat?

Das Problem ist, dass zum einen der Name Robert bzw. Robin einer der häufigsten im England des 13. Jahrhunderts ist. Zum anderen ist "Robin Hood" in verschiedenen Schreibweisen zu dieser Zeit ein Synonym für den "Gesetzesbrecher" an sich. Kein Wunder also, dass der Name gleich Dutzendfach in verschiedenen zeitgenössischen Schriftstücken auftaucht. Vielversprechender sind da schon einige Hinweise in der "Geschichte von Robyn Hode" ("A Gest of Robyn Hode"), die im 15. Jahrhundert entsteht, sich aber ebenfalls auf ältere Quellen stützt und ganz explizit einen "König Edward" erwähnt - allerdings leider nicht näher bestimmt, um welchen der Monarchen es sich handelt.

Experten gehen davon aus, dass nur die Regierungszeit von König Edward I., Edward II. und Edward III. in Betracht kommt, also die Zeitspanne von 1272 bis 1377. Der historische Robin Hood ist demnach also in dieser Zeit anzusiedeln. König Richard Löwenherz allerdings, den wir heute meist mit der Geschichte verbinden, regiert England schon sehr viel früher, nämlich 1189 bis 1199. Dennoch: diese falsche Verbindung zu Richard Löwenherz wird relativ schnell hergestellt, schon der Historiker John Major erwähnt sie 1521 in seiner "Historia majoris Britanniae".

Auf diese Art und Weise bekommt die Robin-Hood-Geschichte aber auch ganz neue Komponenten, die bis heute dominierend sind. Richard Löwenherz gerät nämlich in die Gefangenschaft des Stauferkaisers Heinrich VI., der ein immens hohes Lösegeld für die Freilassung fordert. Richards Mutter, Eleonore von Aquitanien, ist bemüht, die Forderungen schnellstmöglich zu erfüllen, plündert so halb England aus und stürzt das ganze Land in eine ernsthafte Finanzkrise, der schwere Unruhen folgen.

Genau das aber ist schon der Grundstein für die soziale Umverteilung bei Robin Hood, für die er heute berühmt ist: Er beraubt die gierigen Reichen und verteilt das Diebesgut unter den Armen und Ausgebeuteten. Mehr noch: als der König außer Landes ist, ob nun auf Kreuzzug oder in Gefangenschaft, verweist niemand mehr den Sheriff von Nottingham oder die als Besatzer empfundenen Normannen in Grenzen, was nun der heldenhafte Robin Hood mit seinen Geächteten übernehmen kann und dafür später vom zurückgekehrten König trotz seiner Verbrechen begnadigt wird - davon handelt die Geschichte heutzutage.

Gerade weil diese Begnadigung, die auch in den ältesten Texten erwähnt wird, nicht von Richard Löwenherz, sondern von König Edward vorgenommen wird, rückt eine andere historische Person in den Fokus der Suche nach dem echten Robin Hood: Robert Hood, der in den Schriftzeugnissen von 1315 / 16, die als "Wakefield Court Rolls" bekannt sind, erwähnt wird.

Der britische Antiquar Joseph Hunter ist sich dann auch sicher: "Robert Hood, alias Robyn Hode, ist der historische Robin Hood". Als gesetzloser Robyn Hode beteiligt er sich zusammen mit dem Earl of Lancaster, an einer Rebellion gegen den König im Jahr 1322. Edward II. begnadigt ihn aber 1323 und stellt ihn sogar in seine Dienste - die Begnadigung sowie auch die Indienststellung wird in den ältesten Texten erwähnt, was für Hunters Theorie spricht. Allerdings ist der Name Robert Hood in verschiedenen Schreibweisen zu dieser Zeit eben sehr häufig, und so kann es sich hier lediglich um eine zufällige Namensgleichheit handeln, sagen Kritiker.

Was die heutige Wissenschaft sicher ausschließen kann, ist, das Robins große Liebe, die Maid Marian, und einer seiner treuesten Wegbegleiter, der fröhliche Mönch Bruder Tuck, von Anfang an mit dabei sind. Beide Charaktere werden in den frühen Texten nicht erwähnt und könnten auf alte französische Quellen bzw. Figuren des volkstümlichen Tanztheaters anlässlich der traditionellen englischen Maifeste zurückgehen.

Rätsel gibt der Forschung hingegen bis heute das legendäre Versteck der Gesetzlosen auf. In den frühen Texten ist sowohl von Sherwood als auch von Barnsdale die Rede. Als Versteck eignet sich allerdings der 50 Meilen vom Sherwood Forest entfernte Wald von Barnsdale sehr viel besser. Hier sind zur Zeit Robin Hoods keinerlei Patrouillen von Förstern zu befürchten, wie im Sherwood Forest, der damals unter königlicher Obhut steht. Der Barnsdale Forest ist ein ideales Versteck: er ist nicht zu überwachen, undurchdringlich und dunkel. Hier kann der Spur Robin Hoods niemand folgen.