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Religion und Literatur Religion und Literatur: Für Wallraff ist der Papst eine «ganz finstere Gestalt»

Von Markus Peters 09.03.2008, 16:20
Papst Benedikt XVI. am Neujahrstag. Für Günter Wallraff ist der Papst eine «ganz finstere Gestalt». (Foto: dpa)
Papst Benedikt XVI. am Neujahrstag. Für Günter Wallraff ist der Papst eine «ganz finstere Gestalt». (Foto: dpa) ANSA

Köln/ddp. - Beim Thema Religion macht Günter Wallraff keineKompromisse: «Heilige Bücher gibt es nicht», stellte der Autor («Ganzunten») auf dem Literaturfestival lit.Cologne in Köln fest:«Menschen, die sich im Besitz der einen reinen Wahrheit wähnen, diegrenzen andere aus.» Und Wallraff wusste gleich ein Beispiel zubenennen: der Papst, für ihn eine «ganz finstere Gestalt».

Die Frage von Religionen und Werten war nur ein Aspekt derPodiumsdiskussion, die am Freitagabend für eine gut gefüllte Aula derKölner Universität sorgte. Anlässlich der Debatte um den Bau derKölner Großmoschee sollte über die Beziehung der in Deutschlandlebenden Muslime zur deutschen Gesellschaft insgesamt diskutiertwerden.

Dabei sprach sich die in Berlin lebende türkische Rechtsanwältinund Frauenrechtlerin Seyran Ates grundsätzlich für den Bau vonMoscheen aus: «Die Menschen müssen eine Möglichkeit haben, ihreReligion auszuüben». Vehement lehnte Ates hingegen das in Kölngeplante große Basarareal auf dem Moschee-Gelände ab: «Hier entstehtein Bereich, in dem die türkisch-moslemischen Menschen unter sichbleiben und keinen Kontakt zu Mehrheitsgesellschaft habe.» DieserUmstand begünstige das Entstehen von Parallelgesellschaften.

Skeptisch bewertete Ates auch das Angebot von Integrationskursenfür türkische Frauen, wie sie in Köln zum Beispiel von derTürkisch-Islamischen Union (Ditib) angeboten werden: «In diesenKursen werden die Frauen letztlich in ihrer Welt 'gehalten' undbekommen keinen Kontakt zur ihrer deutschen Umgebung». Sie äußerteauch Verständnis für die Gegner des Kölner Moschee-Projekts: «Wennman diesen Bau aufgrund seiner Dimensionen als Machtdemonstrationempfindet, dann muss man das auch sagen dürfen, ohne gleich für einenRassisten gehalten zu werden.»

Der Publizist Navid Kermani widersprach der These desSchriftstellers Ralph Giordano, wonach die Integrationspolitik inDeutschland komplett gescheitert sei: «Ich denke, wir sind beim ThemaIntegration im Alltag weiter als in der politischen Debatte.»Angesichts der Tatsache, dass es in Deutschland 30 Jahre praktischüberhaupt keine Integrationspolitik gegeben habe, sei viel erreichtworden.

Dieser optimistischen Einschätzung wollte sich Ates nicht rechtanschließen: «Ich gelte ja als Beispiel für gelungene Integration,aber das stimmt nicht, solange ich noch gefragt werde, ob ich imUrlaub in meine türkische Heimat fahre.» Die 1963 in Istanbulgeborene Juristin war als Sechsjährige mit ihren Eltern nach Berlingekommen und bezeichnet sich als «deutsche Türkin».

In einem Punkt waren sich die Diskussionsteilnehmer einig: DiePhase der Aufklärung, die die christlichen Kirchen durchmachenmussten, steht dem Islam noch bevor. Um hier einen Schrittvoranzukommen, wird Wallraff in einer moslemischen Begegnungsstätteaus dem umstrittenen Roman «Die Satanischen Verse» von Salman Rushdielesen. Die Veranstaltung stehe fest, Einzelheiten könne er aber nochnicht nennen, verriet Wallraff. Allerdings werde die Lesung nicht inKöln stattfinden.

In der Debatte um den Bau der Kölner Großmoschee hatte der Autorim vergangenen Jahr eine Rushdie-Lesung auf dem Gelände desislamischen Gotteshauses vorgeschlagen. Die Ditib als Hausherr derMoschee lehnte die Lesung schließlich ab.

Wegen seiner Darstellung des Propheten Mohammed in den«Satanischen Versen» war Salman Rushdie im Jahr 1989 vom damaligeniranischen Staatschef und Religionsgelehrten Ayatollah Khomeini miteiner sogenannten Fatwa belegt worden. Damit wurden Moslems auf allerWelt zur Tötung des Schriftstellers aufgefordert. Auch Wallraff hatnach eigenen Angaben nach seiner Rushdie-Initiative Morddrohungenerhalten.