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Reichsparteitagsgelände in Nürnberg Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: Den Speer in den Speer jagen

Von Christian Eger 08.11.2001, 16:46

Nürnberg/MZ. - Zwei mal zwei Meter Muschelkalk: Das also ist "Führers" Fußbodenplatte, gerissen längst und ausgetreten. Wind geht hier oben, Regen klatscht. Unten liegt das NürnbergerZeppelinfeld, eine große graue Brache, durch eine Asphaltpiste von der Steinbühne getrennt. Links grüßt ein "Grundig"-Hochhaus, rechts eine Imbissbude, dort wo einst das Parteivolk die Knie zusammendrückte.

Es ist ja nicht ohne Peinlichkeit, die "Führer"-Kanzel auf der berühmtesten Tribüne des "Dritten Reiches" zu erklimmen, Denkmal seit 1973. Kaum steht man oben und schaut nach unten, hält unten ein Touristenbus und lässt nach oben schauen. Da steht ja einer, da! Wird er mit den Armen rudern? Oder ein Papierflugzeug sausen lassen?

Überschnappende und öde Megalomanie rundum: Elf Quadratkilometer umfasst das Areal, das Albert Speer von 1934 an der südöstlichen Grenze Nürnbergs bebauen ließ. Eine "Tempelstadt der Bewegung" sollte entstehen, ein Spielplatz für Riesen. Das stand auf Hitlers Wunschzettel:ein "Deutsches Stadion" für 400000Zuschauer, ein "Märzfeld" mit 24 Tortürmen, eine Kongresshalle für 50000 Parteigenossen und eine "Große Straße", die all das verband: zwei Kilometer lang, 600Meter breit.

1939 wurden die Arbeiten abgebrochen, kein Pparteitag fand mehr statt. Das "Märzfeld" wurde nach 1945 gesprengt, vom "DeutschenStadion" blieb eine Grube übrig, die "Große Straße" - eine Landebahn für Außerirdische - empfängt noch immer fast so weit wie breit; die Kongresshalle blieb im Rohbau stehen,Hitler hohler Mauerzahn.

Die Stadt Nürnberg war überfordert: So wie sie einst alljährlich im September vom "Reichsparteitags"-Tourismus überfordert war. Nach 1945 dann diente der Hallen-Torso als Bauschaufläche und Lagerhalle, die Nürnberger Symphoniker zogen in einenintakten Flügel. Pläne gab es, die Halle zum Fußballstadion auszubauen oder ein "Einkaufs- und Freizeitzentrum für gehobene Ansprüche" einzurichten. Zu teuer und nicht wirklich notwendig. 19?? erhielt der Grazer ArchitektGünther Domenig den Auftrag, den rechten Portalflügel in einen Museumsbau umzugestalten. Und Domenig "schoss", wie er zitatreif frohlockt, "einen Speer in den Speer" - einen 130Meter langen Steg aus Stahl und Glas, quer durchs Haus,um wie ein Zehn-Meter-Sprungbrett im Hohlraum des Kolosseums als Plattform zu enden. Domenigs Inlett ist als "Dokumentationszentrum der Reichsparteitage" zu besichtigen. Ein Einbau auf Distanz: Sämtliche Räume und Ebenen wurden an Stahlträgern aufgezogen oder ins NS-Mauerwerk hineingehängt. Die Metallfußböden berühren den Bau nicht, sie enden stets wenige Zentimeter vor der Originalmauer.

Die in 14Räumen präsentierte Schau unterdem Allerweltstitel "Faszination und Gewalt" ist von ähnlicher Diskretion - allerdings ohne unentschieden zu sein. Didaktisch in der Anlage, schlank in der Gestaltung, auf dem neuesten Forschungsstand im Kommentar. Geboten wird ein Gang durchs politische System des "Dritten Reiches", von den Anfängen bis hin zu den "Nürnberger Prozessen". Der Schwerpunkt liegt auf den ideologischen Ertüchtigungswochender "Reichsparteitage", die bereits - nach München und Weimar - 1927 und 1929 auf dem Nürnberger Terrain stattfanden. Nürnberg, das war ein Sehnsuchtsort der Nazis: sehr alt, sehr deutsch, vielleicht auch sehr hinterden sieben Bergen. Hier fanden die Reichstage des Mittelalters statt, hier residierte der Radau-Antisemit, "Stürmer"-Verleger und Gauleiter von Franken, Julius Streicher. 1938 ließ Hitler die Reichskleinodien aus Wien nach Nürnberg holen: Ein Kreis sollte sich herrlich schließen.

Die Schau zeigt den Alltag hinter der "Parteitags-Fassade. Die Sittenpolizei berichtet, wie gerade die schärfsten "Parteigenossen" nicht hin zum"Führer", sondern in das von der SS abgesperrteRotlichtviertel stürmten. Überhaupt: "Der Fackelzug der Politischen Leiter war eine Katastrophe - dieses Antreiben, dieser Dauerlauf!".

(gekürzt, den vollständigen Artikel lesen Sie in der MZ vom 09.11.01)