Regisseur Regisseur: Schweiz liefert Polanski nicht aus

Bern/Paris/dpa. - Starregisseur Roman Polanski ist nach fast zehnMonaten wieder ein freier Mann. Er wird nicht wegen eines langezurückliegenden Sexualdeliktes von der Schweiz an die USAausgeliefert. Das teilte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf amMontag in Bern mit. Die USA könnten diese Entscheidung nichtanfechten, sagte sie. Während es in Berlin, Paris und Warschaufreudige Reaktionen auf die Freilassung des französisch-polnischenFilmemachers gab, reagierte die US-Regierung empört.
Alle Auflagen, denen Polanski («Der Mieter», «Tanz der Vampire»,«Rosemaries Baby», «Der Pianist») seit Dezember im Hausarrest inseinem Ferienhaus in Gstaad ausgesetzt war, wurden aufgehoben. Der76-Jährige braucht keine elektronische Fußfessel mehr zu tragen. DieUSA hätten die Schweizer Justiz mit ihrem Auslieferungsgesuch nichtüberzeugen können, sagte die Ministerin. Polanski bekommt auch seineumgerechnet drei Millionen Euro Kaution zurück, die er wegen seinesHausarrestes hinterlegt hatte.
Der Sprecher des US-Außenministeriums sagte dazu: «Ein 13-jährigesMädchen wurde unter Drogen gesetzt und von einem Erwachsenenvergewaltigt. Das ist keine Frage, bei der es um Formalitäten geht.»Die USA hätten kein Verständnis für die juristischen Argumente derSchweizer Behörden und würden weiter versuchen, Polanski zurVerantwortung zu ziehen. Die zuständigen US-Behörden müsstenallerdings zunächst ihre Optionen prüfen, meinte Crowley.
Die Filmstudios von Potsdam-Babelsberg hingegen begrüßten dieEntscheidung der Schweiz. «Wir freuen uns wahnsinnig für ihn undseine Familie», sagte Produzent Christoph Fisser («Der Ghostwriter»)der Nachrichtenagentur dpa. Er kritisierte zugleich, dass die Schweizso lange gebraucht habe, um den Hausarrest aufzuheben. Polanski hattemit der Babelsberg-Produktion «Der Ghostwriter» im Februar bei derBerlinale den Silbernen Bären für die beste Regie bekommen.
Das polnische Außenministerium zeigte sich sehr erfreut. Sowohldie komplizierte Rechtslage als auch die Lebenssituation Polanskisseien berücksichtigt worden, sagte Außenamtssprecher Piotr Paszkowskiin Warschau. Der Chef der polnischen Diplomatie, Radoslaw Sikorski,bedankte sich bei seiner schweizerischen Kollegin, Micheline Calmy-Rey, für die «vernünftige Entscheidung».
In Frankreich begrüßten unter anderem Kulturminister FrédéricMitterrand, Schriftsteller Bernard-Henri Lévy und Staranwalt HervéTemime die Entscheidung der Schweiz. «Man kann sich gar nichtvorstellen (...), wie viel Leid die ganze Familie während der langenMonate ertragen musste», sagte Polanskis Anwalt Temime. Er habe kurzmit seinem Mandanten sprechen können. Polanski fühle sich befreit undglücklich.
Die USA werfen dem Oscar-Preisträger vor, sich in den 70er Jahrenan einer Minderjährigen vergangen und sich dann der US-Justizentzogen zu haben. Er war Ende September 2009 aufgrund eines US-Haftbefehls in Zürich festgenommen worden und stand seit Dezemberunter Hausarrest.
Die Ministerin gestand Polanski auch Vertrauensschutz zu. Dieserhatte sich bis zu seiner Verhaftung immer wieder unbehelligt in derSchweiz aufgehalten und die Tat selbst nie bestritten. Seit seinemHauskauf in Gstaad im Jahre 2006 habe es kein Auslieferungsersuchengegeben. Die USA hätten Verständnis für die Entscheidung der Schweizgezeigt, fügte sie hinzu.
Widmer-Schlumpf sprach von einem Mangel im Auslieferungsgesuch derUSA, «der auch nach intensiven Abklärungen nicht mit der notwendigenBestimmtheit ausgeschlossen werden» könne. So hätten die USA derSchweizer Justiz ein Protokoll der Befragung des früherenStaatsanwaltes Roger Gunson nicht vorgelegt. Nach Polanskis Angabensoll Gunson im Februar erklärt haben, der damals zuständige Richterhabe am 19. September 1977 gegenüber allen Parteien erklärt, «dassmeine Haftzeit im Gefängnis von Chibno die Gesamtstrafe sei, die ichzu verbüßen hatte».
Treffe dieses Protokoll zu, habe Polanski seine Strafe tatsächlichbereits verbüßt und das Auslieferungsverfahren habe keine Grundlagemehr, sagte die Ministerin. Da die Schweiz keine Einsicht bekommenhabe, könne man nicht ausschließen, dass Polanski die Strafe bereitsverbüßt habe, sagte die Ministerin. Sie unterstrich, dass dieEntscheidung nichts mit der Tat des Regisseurs zu tun habe. Es seiaber registriert worden, dass auch das Opfer um Nachsicht für denTäter gebeten habe.