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Reformation Reformation: Kanzlerin würdigt Melanchthon

Von CORINNA NITZ 19.04.2010, 17:50

WITTENBERG/MZ. - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss über eine unverwüstliche Kondition verfügen. Nach ihrer mehrere Tage dauernden Rückreise aus den USA, die sich wegen der Aschewolke über Europa zuletzt ziemlich chaotisch gestaltete, trat sie am Montagmittag in Wittenberg auf. Frisch wirkte sie und entspannt, als sie die Regierungslimousine verließ und sich federnden Schrittes in Begleitung von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) zur Thesentür der Schlosskirche begab.

Drinnen hatten sich etwa 400 Gäste versammelt: Vertreter der internationalen Ökumene, Kirchenrepräsentanten aus Deutschland, Bundes- und Landespolitiker, Abgeordnete der Kommune, um Philipp Melanchthon zu ehren. Der Humanist und Reformator war in den Abendstunden des 19. April 1560 in seinem Haus in Wittenberg gestorben. In der Schlosskirche liegt er neben Martin Luther begraben, und 450 Jahre nach seinem Tod soll nun im Rahmen eines Festaktes an das Vermächtnis des "Praeceptor Germaniae" erinnert werden, der dafür plädiert hat, dass man jedem Kind zumindest eine elementare Bildung angedeihen lassen sollte.

"Bildung für alle - so könnte man Melanchthons Anspruch heute zusammenfassen", erklärte Merkel, die in ihrem Festvortrag das Wirken des Universalgelehrten würdigte. Zugleich verwies sie darauf, dass es so schlecht im Deutschland des 21. Jahrhunderts ja nicht bestellt sei. Jedenfalls gehe ein jedes Kind zur Schule. Und dennoch fehlten manchen Kindern am Ende ihrer Schullaufbahn die notwendigen Fähigkeiten für einen guten Start ins weitere Leben, entscheide noch immer oft genug die Herkunft, wie es mit einem jungen Menschen weitergeht.

Merkel bekräftigte in dieser Hinsicht: "Wir müssen es schaffen, dass der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildung aufgebrochen wird." Die Politik müsse dafür die Voraussetzungen schaffen, Bund und Länder seien im Gespräch, "bis 2015 geben wir zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus". Ebenso wichtig seien die Lehrkräfte. Mit Blick auf die derzeit diskutierten Verfehlungen einzelner Pädagogen forderte Merkel schonungslose Aufklärung. Fest stehe aber auch, "dass die große Mehrzahl der Pädagogen ehrbar und verantwortungsbewusst arbeitet". Und "wenn wir heute Melanchthon ehren, dann ist das auch ein Dank an unsere Lehrer, die eine unverzichtbare Arbeit leisten". Und mitunter einen harten Job, von dessen Leiden schon der Lehrer Deutschlands berichtete.

Dass Bildung kein Privileg Weniger sein darf, fand der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider. Das "Megathema" Melanchthons sei die Bildung gewesen, "und es muss unsere Sache sein - mit konkreten Folgen". So sprach sich Schneider für den Ausbau frühkindlicher Bildung aus. Und: "Wenn es um die Bildung der Persönlichkeit geht, wenn Bildung der Schlüssel zu einem Leben in Frieden ist", dann müssten Schulen und Hochschulen flächendeckend vorhanden sein.

Nun sieht die Realität oft anders aus. Man denke nur an die Schulschließungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. Davon war am Montag keine Rede. Dafür kam am Ende noch einmal der, dem diese Stunde galt, zu Wort. "Kein Bollwerk macht eine Stadt stärker als gebildete und mit anderen Tugenden begabte Bürger", zitierte Merkel Melanchthon, bevor sie um 14 Uhr zum Wagen zurückeilte.