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Rainald Grebe Rainald Grebe: Zeitmaschine mit Turbo und Handbremse

Von ANDREAS HILLGER 30.12.2008, 18:23

HALLE/MZ. - Der ungläubige Refrain "Ich versteh's nicht", der von weit aufgerissenen Augen begleitet und beglaubigt wird, ließe sich als Maske naiver Bürgerlichkeit auch auf das kommende Wende-Gedenken 2009 anwenden. Aber dazu, sagt Grebe, plant er noch kein Programm.

Man muss solche Auskünfte mit Vorsicht genießen, wenn sie von dem 1971 in Köln geborenen Künstler kommen. Immerhin ist Grebe unglaublich produktiv und hat bereits ein Programm-Pensum absolviert, mit dem klassische Kabarettisten ein halbes Berufsleben bestreiten. Seit dem Profi-Auftakt mit dem "Abschiedskonzert" sind kaum vier Jahre vergangen - und schon liegen mit dem Debüt seiner "Kapelle der Versöhnung" und der "Volksmusik", mit dem "Robinson-Crusoe-Konzert" und "1968" vier weitere CDs vor. Hinzu kommen der Roman "Global Fish" und das Gesangbuch "Das grüne Herz Deutschlands", ungezählte Auftritte, die Textfassung für Claudia Bauers "Parsifal" in Halle - und nun die "Klimarevue", mit der Grebe am Silvesterabend das Leipziger Centraltheater füllt.

Gelernter Puppenspieler

Wie macht er das alles - und wie das Einzelne? Auf einem Tourneestopp in Halle erzählt Grebe, der sich im wilden Nachwende-Ostberlin an der Schauspielschule "Ernst Busch" zum Puppenspieler ausbilden ließ und danach seine künstlerische Heimat im Theaterhaus Jena fand, vom Vergnügen einer selbstbestimmten Karriere. Manchmal staune er selbst über die Resonanz, die sein Humor beim jungen Publikum findet, dem man gern Oberflächlichkeit bescheinigt. Für Liebhaber jener Fast-Joke-Menüs aber, die das Fernsehen als Alternative zur kabarettistischen Rohkost entdeckt hat, wäre Grebes oft turbobeschleunigte und im nächsten Moment handgebremste Technik tatsächlich untauglich.

Themen wie das studentenbewegte Jahr oder die mit dem Thermometer gemessenen Katastrophen sind für ihn bestenfalls Ausgangspunkte, von denen er seine Expeditionen startet - gern mit der Zeitmaschine, die ihn in Leipzig sogar bis in die Steinzeit ("Meine Hobbies sind Sex, Sex, Sex / und Höhlenmalerei") trägt. Doch egal, wie weit man reist: "Guido Knopp war immer vor dir da." Solcherart sind die Erkenntnisse, zu denen sich Grebe zielstrebig verirrt - und die meist zwischen Sinn und Nonsens mäandern.

Auch die Themen selbst findet er so - etwa sein Motto "Alle reden vom Wetter", das aus einem Tipp für einen befreundeten Schauspieler entstand. Dem hatte Rainald Grebe empfohlen, ein Solo über den amerikanischen Polit-Propheten Al Gore zu entwickeln. Und dann fand er selbst Gefallen an der Idee, einen richtig großen, aber auch ein bisschen abgewetzten Show-Abend zum Klima zu inszenieren, obwohl er für Sebastian Hartmanns Leipziger Schauspiel eigentlich einen "Tag der offenen Tür" gestalten wollte. Dafür hatte er sogar schon Recherche an Provinzbühnen betrieben, "wo die Soubrette neben dem Kapellmeister am Keyboard in der Tischlerei steht und Arien singt". Aber das war ihm dann doch ein wenig zu selbstreferentiell.

Grebe erzählt das ohne Häme, sondern mit der Zuneigung des einstigen Ensemble-Schauspielers. In Jena war er Teil einer verschworenen Gemeinschaft, zu der zudem der heute bundesweit erfolgreiche Puppen-Comedian René Marik und der auch in Halle aktive Selbst-Darsteller Frank Benz gehörten. Wenn Rainald Grebe von den Jahren des gemeinsamen künstlerischen Experiments spricht, dann hört man in der Erinnerung auch eine Option für die Zukunft. Und wirklich, sagt der zuletzt vor allem als Solist mit Begleitung erfolgreiche Entertainer, habe er seit Leipzig wieder Lust auf Theater. Man müsse das zyklisch sehen: Von 2000 bis 2004 war Jena das Zentrum, seither zieht er durch die Konzertsäle - und nun sind wieder vier Jahre um ...

Karrierekurve steigt an

Gut möglich also, dass Rainald Grebe sich bald neu erfindet - oder dass auch diese Ankündigung nur eine Finte ist. Vermutlich steigt seine Karriere-Kurve gerade deshalb so stetig an, weil er seit seinen frühen Tagen im "Quatsch Comedy Club" von Thomas Hermanns immer wieder Haken geschlagen hat. Grebe ("Wir meinten alles ironisch / auch die Ironie") kann zu viel, um sich festzulegen: Singen und Schreiben, Klavier und Theater spielen. Damit ist er für die Comedy-Szene eindeutig überqualifiziert - ebenso wie für den Zweijahresvertrag im Stadttheater.

Dass er sich zudem weigert, permanent nur witzig zu sein, ist ein weiteres Plus: Die Öko-Zertifikate beispielsweise, mit deren Erwerb man seine Leipziger Allewetter-Show "klimaneutral" gestalten kann, sind echt - und als moderner Ablasshandel eben darum so zynisch gut gemeint. Nachdem er sich für diese Gelegenheit übrigens auch noch einen Reim auf Sachsen gemacht und damit die Liste seiner inoffiziellen Ostdeutschland-Hymnen über "Brandenburg", "Thüringen" und "Doreen aus Mecklenburg" vervollständigt hat, bleibt zum Schluss eigentlich nur noch eine Frage: Wann kommt Sachsen-Anhalt dran? "Das Schwierigste", sagt Rainald Grebe, "soll man sich für den Schluss aufheben."