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Premiere Premiere: Shakespeares "Romeo und Julia" am neuen theater in Halle

Von joachim lange 14.09.2015, 06:04
Romeo (Max Radestock) und Julia (Anke Retzlaff)
Romeo (Max Radestock) und Julia (Anke Retzlaff) falk wenzel Lizenz

Halle (Saale) - Über der jüngsten Premiere des neuen theaters steht „Romeo und Julia“ drüber. Und Shakespeares große Lovestory, die eigentlich auch eine über die tödliche Konsequenz von Hass ist, die ist auch drin. Kommt modern daher, aber nicht mit modischen Mätzchen oder philosophischen Diskursen versetzt. Dicht am Original, wenn man mal davon absieht, dass es nicht die Originalsprache ist, die nur dann erklingt, wenn Romeo und Julia ihre Verzweiflung singend herausbrüllen. Ohne einmal englisch ins Mikro zu röhren, geht es halt nicht. Aber das ist geschenkt.

Eine kalkulierte Zimmerschlacht

Die Übersetzung von Thomas Brasch entwickelt schnell ihren eigenen Sog. Und die Protagonisten lassen sich sämtlich darauf ein. Ja sie werfen sich mit Lust in den Text, tanzen die Verse, steppen die mitunter zotigen Pointen, schlüpfen in dieses Sprachgewand, ohne dass es ihnen die Luft zum Atmen nimmt.

Was Christian von Treskow hier inszeniert hat, ist kein Kammerspiel, sondern eher eine gut kalkulierte Zimmerschlacht. Die Bühne erinnert anfangs an einen Schlafsaal. Links und rechts mit je fünf Betten. Der Boden dazwischen ist mit Geschreddertem bedeckt. In den Hintergrund hat Jürgen Lier einen Mini-Blumenladen im Tankstellenlook gesetzt.

Mit Handy wäre das nicht passiert

Hier campiert Bruder Lorenzo. Bei Karl-Fred Müller sieht der aus wie der Geist von Hamlets Vater auf Speed. Dass die Aussteiger und Bedrängten den mögen, ist klar. Der bringt die Geschichte gleich zu Beginn auf den Punkt. Von der Galerie aus ruft der Prinz (Andreas Range) den alten Montague (Enrico Petters) ebenso zum Frieden auf wie Lady Capulet. Und dann jagt auch schon der pure Übermut durch dieses Innen-Außen-Gelände. Über die Betten, mit gezückten Degen: Benvolio (Hagen Rietschel reicht dem noch ein Kabinettstück als Apotheker nach!), Mercutio (Matthias Walter) und Tybalt (Frank Schilcher).

Das kann nicht gut gehen. Mercutios Mörder stirbt gar durch Romeos Hand. Dessen Versuch, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen ist damit gescheitert. Das Blut war zu erhitzt, die Logik der Rache setzt sich durch. Auch der Versuch von Bruder Lorenzo, dem heimlich getrauten Paar Romeo und Julia, das dazugehörige gemeinsame Leben zu ermöglichen, scheitert. Romeo erreicht der Brief mit dem Plan vom Scheinselbstmord Julias nicht. Er bringt sich wirklich um; Julia folgt ihm. Mit Handy wäre das nicht passiert. Oder vielleicht doch?

Grandioser Ausraster

Wenn die Liebe gegen den Rest der Welt ankämpfen muss, hat sie meist die schlechteren Karten. Das wird nachvollziehbar, weil Max Radestock und Anke Retzlaff als Romeo und Julia überzeugend jenes Maß an fast noch kindlicher Unschuld verkörpern, die die Liebe so unvermittelt trifft und in Flammen setzt, dass sie daran verbrennen. Wenn die beiden darüber streiten, ob es denn nun die Nachtigall oder die Lerche ist, die die Fortdauer oder das Ende der heimlichen Liebesnacht verspricht oder androht, dann verstecken sie sich unter der Bettdecke, wie Kinder, die sich vor Nachtgespenstern fürchten. Eigentlich vor der Welt.

Christian von Treskow hat einen weitherzigen Shakespeare inszeniert. Einen, bei dem die Tragödie auch mit den Zutaten aus dem Komödienfundus durchsetzt ist. Mit starken Figuren um das Paar herum: wie der Amme, die Petra Ehlert mit Mutterwitz erdet. Oder einer Lady Capulet, aus der Elke Richter weit mehr macht als eine Nebenfigur - grandios ihr Ausraster, wenn Julia sich weigert, zu wollen, was sie soll. Diese Mutter hat es auch nicht leicht. Doch sie willigt, tief traurig, in die teuer erkaufte Versöhnung der Familien über den Leichen der Kinder ein. In einem grandios verdämmernden Schlussbild. (mz)

Nächste Aufführungen: 27. September und 2.Oktober, jeweils um 19.30 Uhr