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Polen Polen: Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz ist tot

14.08.2004, 13:45
Der polnische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz ist am Samstag im Alter von 93 Jahren gestorben. (Foto: dpa)
Der polnische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz ist am Samstag im Alter von 93 Jahren gestorben. (Foto: dpa) PAP FILES

Warschau/dpa. - Der polnische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Czeslaw Milosz ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 93 Jahren im Kreis seiner Familie in Krakau, berichtete diepolnische Nachrichtenagentur PAP. International bekannt wurde Milosz mit dem Werk «Verführtes Denken» (1953), einer Studie über die Lage der Intellektuellen im stalinistischen Polen. Der gebürtige Litauer, der Jahrzehnte im Exil in Frankreich und den USA lebte, erhielt 1980 den Nobelpreis für Literatur.

Milosz hatte seit 1951 aus Protest gegen die kommunistischeRegierung mehrere Jahrzehnte im Exil verbracht, zunächst inFrankreich, ab 1960 in den USA. Seit 1960 lehrte er als Professor fürslawische Sprachen und Literatur an der Universität von Kalifornienin Berkeley. Bis 1980 durfte in Polen kein Buch von Milosz offiziellerscheinen. Die Zensur unterdrückte sogar jeden Versuch, auch nurseinen Namen zu erwähnen. Erst die in Danzig eingeleitetendemokratischen Reformen machten eine Veröffentlichung seinerPublikationen in Polen möglich. Milosz selber kehrte erst nach derpolitischen Wende 1989 in das Land zurück.

Milosz wurde am 30. Juni 1911 im litauischen Seteiniai geboren. Erbesuchte in Wilna, das 1923-1939 zu Polen gehörte, die Schule undstudierte dort anschließend Jura. Als Student veröffentlichte ererste Gedichte und war Mitbegründer der Zeitschrift und Dichtergruppe«Zagary» (Glut/Fackel). Milosz arbeitete zunächst beim Rundfunk inWilna, später in Warschau. Während des Zweiten Weltkriegs blieb er inPolen und beteiligte sich an der Widerstandsbewegung gegen diedeutsche Besatzung. 1945 trat Milosz in den diplomatischen Dienst desLandes ein und war als Kulturattaché an den polnischenGesandtschaften in New York, Washington und Paris tätig.

Die Stalinisierung des Landes veranlasste ihn 1951, im Westen zubleiben. Er emigrierte nach Paris und arbeitete dort im polnischenEmigrantenverlag «Instytut Literacki». 1960 wurde Milosz von derUniversity of California in Berkeley als Gastprofessor eingeladen undblieb anschließend in den USA. 1978 wurde Milosz, der 1970 dieamerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, emeritiert.

Neben seinem Essayband «Verführtes Denken» brachten ihn auch seineRomane, Essays und Erzählungen ins öffentliche Gespräch, während derHauptteil seines Werks, die Lyrik, viele Jahre lang unbeachtet blieb.Anerkennung erhielt er auch als Übersetzer englischer, amerikanischerund französischer Literatur. Er übertrug Shakespeare, Eliot, Whitman,Baudelaire ins Polnische und polnische Lyrik ins Englische.

1980 erhielt Milosz für viele überraschend den Nobelpreis fürLiteratur. Das Nobel-Komitee würdigte ihn als einen Autor, «der mitkompromisslosem Scharfblick der exponierten Situation des Menschen ineiner Welt von schweren Konflikten Ausdruck verleiht». DieStockholmer Entscheidung wurde in den kommunistischen Ostblock-Staaten als vorwiegend politisch bewertet.

1981 reiste Milosz erstmals nach rund 30 Jahren wieder in seinepolnische Heimat. 1989 fuhr er ein zweites Mal nach Polen, um dieEhrendoktorwürde der Universität Krakau entgegenzunehmen. 1982 zählteMilosz zu den Mitunterzeichnern eines «Appells an die deutschenNachbarn», in dem exil-polnische Schriftsteller und Wissenschaftlergemeinsam Front gegen den sowjetischen Imperialismus machten.

Nach der sowjetischen Militäraktion in Litauen im Januar 1991rief Milosz seine Landsleute in der Heimat und die polnischeMinderheit in Litauen dazu auf, die «alten Rechnungen» zu vergessenund erklärte, «heute bräuchten die Litauer unsere Solidarität». 1999wurde sein autobiografischer Roman «Das Tal der Issa» (1955; dt.1957) neu aufgelegt. Eine Art poetische Lebensbilanz zog Milosz, derim Jahr 2000 die 52. Frankfurter Buchmesse eröffnete, in demEssayband «Hündchen am Wegesrand» (dt. 2000).