Osterpartie zum Göschenhaus Osterpartie zum Göschenhaus: Das Wandern ist des Dichters Lust
Grimma/MZ. - Ein Landhaus, zwei Stockwerke, gelb getüncht mit spitzen Giebeln und grünen Fensterläden. Eichen rauschen und Akazien, der Kuckuck schlägt - hoch überm Muldetal. "Ich glaube", schrieb 1795 Georg Joachim Göschen (1752-1828) an Wieland, "ich habe mir einen Zuwachs an Gesundheit und Leben erkauft, in einem artigen Gebäude und einem Garten in einer der schönsten Gegenden der Welt." Die Gegend ist noch immer schön, die Welt inzwischen aber weit weg gezogen. Hohnstädt liegt fernab des Schlagzeilenflimmerns und versucht, mit leichter Hand ein gut gelauntes Publikum zu locken. In Göschens Gutsställen, in deren Dachkammern einst Schiller und Wieland ihr Federbett aufschüttelten, empfangen zwei Restaurants: "Göschenscheune" und "Göschenklause", "Weizenbier-Tage" werden geboten und Zimmer zur Nacht.
Wer hierherzieht hat Zeit, Lust am luftigen Müßiggang und vielleicht etwas Sinn für den merkwürdigsten Geist des Ortes: den Schriftsteller Johann Gottfried Seume, 1763 als Fronbauern-Sohn in Poserna bei Weißenfels geboren, 1810 als Kurgast im böhmischen Teplitz gestorben, einer der originellsten und am meisten als "sansculottisch" verdächtigten Köpfe seiner Zeit, deren "berühmtester Wanderer" (Goethe) er werden sollte.
Kaum ein zweiter Schreiber-Zeitgenosse hatte gegen so viel handgreifliche Unbill anzukämpfen wie dieser politisch und buchstäblich weit ausschreitende Mann. Einer, der ein Trotz-alledem-Literat geworden ist, nachdem er 1781 Hals über Kopf von seinem Leipziger Theologiestudium Richtung Paris ausriss, unterwegs von hessischen Werbern ergriffen und als Soldat nach Amerika verkauft wurde, 1783- wieder auf deutschem Boden - seinen Peinigern entwischte, um kurz darauf preußischen Häschern in die Hände zu fallen.
Erst die Kaution eines Gönners setzte Seume frei, ermöglichte ihm das Studium der Rechte und der Philosophie, um sich im Anschluss als Hofmeister und Sekretär durchzuschlagen und 1797 als Korrektor im Verlag und Hause Göschen zu landen - neben Cotta in Tübingen der wichtigste Verleger seiner Zeit. Vier Jahre diente Seume in Grimma bis er zu jenem Parforce-Marsch aufbrach, dessen Auftakt sich am sechsten Dezember zum 200. Male jährt: "Mein Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802". Warum Seume damals aus Grimma floh, war auch seinem Verleger ein Rätsel: "Das weiß er und die Götter". Göschen setzte dem Freund nach dessen Abmarsch einen Gedenkstein, der im Hohnstädter Grün zu bestaunen ist. Seume indes hinterließ: "Wenn ich so fort korrigiere, fürchte ich nur, mein ganzes Leben wird ein Druckfehler werden." Er floh vor den "Silben wie Käsemilben", fort aus dem "enger werdenden Muldetal", hin zur Arethusa-Quelle im Hafenviertel von Syrakus, um im August 1802 gesund und munter zurückzukehren. Trotz einiger Umbauten ist im Göschenhaus noch immer der heitere, dielenknarrende Originalgeist der Seume-Zeit zu fangen. Ein Kamin-, ein Biedermeier-, ein Seume- und ein Bauernzimmer überraschen, vollgestellt mit Möbeln, Büchern, "Seumiana" und allerlei Nippes der Göschen-Ära. Ein Musenort, zum gehen lassen und Kaffee schlürfen. Auch Rotwein wird geboten: von Göschens altem Weinberg gezupft - die Flasche für zehn Mark mit etikettiertem Seume-Kopf.
Unser Mann notierte in seinem Report "Mein Sommer 1805": "Ich bin der Meinung, daß alles besser gehen würde, wenn man mehr ginge". Nach Hohnstädt zum Beispiel, ein Seume-Büchlein im Gepäck: ein Ideen-Gewitter ist garantiert, österlich frisch und blitzgescheit.