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Oper Oper: Lohnendes «Wagnis Wagner»

Von Christine Schultze 14.04.2001, 14:24

Meiningen/dpa. - Doch schon nach der «Rheingold»-Premiere am Karfreitag stand fest, dass das Experiment auch künstlerisch bedeutsam ist. Vom Publikum gefeiert, präsentierte die Regisseurin einen durchdachten und authentisch umgesetzten «Ring». Am Montagabend sollte der Premieren-Zyklus mit der «Götterdämmerung» vollendet werden.

Für Althergebrachtes, Arriviertes ist in der stark auf die revolutionären Hintergründe des umfassenden Werks anspielenden Inszenierung kein Platz. Deshalb hatte der Dramaturg Hans-Jochen Genzel das Publikum in seinem Einführungsvortrag beschworen, sich freizumachen von bisherigen Rezeptionsgewohnheiten, um die Meininger Interpretation möglichst unvoreingenommen aufnehmen zu können.

Aus dem jungen und hochmotivierten Ensemble ragten vor allem Frank van Aken als Siegmund, Franz Hawlata als Wotan und Jürgen Müller als Siegfried heraus. Sehr viel Beifall gab es auch für Oskar Pürgstaller (Mime) und Nanco de Vries (Alberich). Spätestens mit der «Walküren»-Premiere schien der Damm gebrochen: Kein Aufzug, an den sich nicht lautstarke Bravorufe der begeisterten Zuschauer anschlossen. Schon zu den Pausen forderte das Publikum die Sänger mehrfach auf die Bühne, um sie mit langem Applaus zu bedenken.

Umjubelt wurde auch der erst 29 Jahre alte Meininger Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, der nicht minder experimentierfreudig an den «Ring» herangegangen war. Neben seinem Theaterorchester dirigierte er auch die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl, die den «Siegfried» und den ersten Akt der «Götterdämmerung» übernommen hatte. Auch wenn einzelne Klänge unsauber oder ein wenig zu laut gerieten, verstanden es doch beide Orchester, den Spannungsbogen des hochdramatischen Stoffes nie abreißen zu lassen, so dass der Zuschauer in der Tat jenen «Fortsetzungskrimi» erlebte, als den Mielitz die Opern-Tetralogie zuweilen gern bezeichnet.

In ihrem facettenreichen Konzept begreift die Regisseurin Wotan als einen Utopisten, der an der Praxis seiner eigenen Gesetze scheitert und Nachkommen aussendet, die seine Fehler korrigieren sollen. Darin sieht Mielitz viele Parallelen zur Biografie Wagners, der stets um schöpferische Selbsterneuerung gerungen habe.

Der Wiener Bildhauer und Maler Alfred Hrdlicka, der mit seinem ehemaligen Assistenten Jan Schneider für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, geizte ebenfalls nicht mit Anspielungen auf den Komponisten. So tummelt sich die Götterwelt auf einer schneeweißen, chemisch gereinigten Barrikade. Sie steht für die stark intellektuell geprägte Revolutionssicht Wagners, der sich 1849 am Dresdner Maiaufstand beteiligt hatte. Auch als Riese Fafner oder als Teil eines Januskopfes auf dem Walkürefelsen ist Wagner präsent.

Dass ein Porträt Hrdlickas den anderen Teil dieses Januskopfes bildet, verübelten wohl einige Premierengäste dem Wiener Künstler als anmaßende Selbstdarstellung und bedachten ihn auch deshalb mit Buh-Rufen, allerdings zu Unrecht. Idee und Ausführung des Hrdlicka- Porträts stammen von Schneider, den der Künstler nach eigener Darstellung wegen psychischer Probleme in den vergangenen Monaten mit einem Großteil der Arbeit betraut hatte.

Wer keine Karten für die Premiere und die übrigen drei «Ring»- Zyklen, die noch bis zum Sommer auf die Bühne des Hauses kommen, erstehen konnte, kann sich in den kommenden Monaten dennoch einen umfassenden Überblick über das künstlerische Schaffen Hrdlickas in Meiningen verschaffen. Eine dreiteilige Ausstellung zeigt bis zum 9. September insgesamt rund 260 seiner Arbeiten und ist damit wohl die umfassendste Hrdlicka-Werkschau, die bisher zu sehen war.