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Newcomer Newcomer: Rock-Quartett aus Halle veröffentlicht neues Album

Von Steffen Könau 02.11.2012, 16:05

Halle (Saale)/MZ. - Die Rockgeschichte hat Felix Heklau tief eingesogen. T.Rex kann er natürlich, David Bowie sowieso, aber auch Iggy Pop oder Tim Buckley. Auf "Wild Blood", dem dritten Album seiner Band Cocoon Fire, speit der 28-jährige Hallenser nun Feuer: Vom Auftakt mit dem heftigen "Devil in the Mirrorball" bis zum eher sanften Finale "The Vultures Come" zehn Songs später rockt das Quartett aus der Saalestadt kompakt und vielschichtig wie nie zuvor.

Dabei hätte die Premiere des im Atomino-Studio in Erfurt eingespielten Werkes beinahe verschoben werden müssen. Justament kurz vor der Release-Party fing sich Sänger und Gitarrist Heklau eine Erkältung ein. Die sonst makellos reine Stimme rasselte nun ein wenig und mehrfach musste der 28-Jährige sich zwischen zwei Songs mit Halsschmerzspray, Nasentropfen und einem Schluck Bier dopen, um überhaupt weitersingen zu können.

Erstaunlicherweise tut das dem Spaß keinen Abbruch. Begleitet von Johanna Bratke an Gitarre und Keyboard, Christian Franke am Bass und Jeremias Mertens am Schlagzeug gelingt es Felix Heklau, auch dem Publikum bei der CD-Release-Party zu zeigen, dass Cocoon Fire inzwischen aus dem Status der talentierten Nachwuchsband herausgewachsen sind. Charismatisch dirigiert der schwarzhaarige Mädchenliebling seine Band durch das hymnische "The Wound that never heals" und das an Soundgarden erinnernde "Dead Man Walking", das nach 2:20 Minuten aus dem D-Zug in einem schleppenden Grunge-Rhythmus fällt. Wo vor zwei, drei Jahren noch nervöser New Wave mit hektischen Gitarren erklang, über dem Heklau mit nervöser Stimme balancierte, steht beim neuen Stück "We came for the cake" eine gewisse Gelassenheit am Ruder. Wie beim Zwischendurch-Hit "Octopus", der auf einer EP mit fünf Stücken erschienen war, vertraut das Quartett auch auf "Wild Blood" seinen Melodien.

Und da sind einige, die nicht so schnell aus dem Ohr wollen. "Wir haben nach Wein gefragt, sie haben Wasser gebracht", nörgelt Heklau in "Cake", "die Mädchen küssen nicht, sie beißen nur". So sauer ist das Leben, nur Schmerz statt Zuckerguss - hier aber eben eingepackt in supersüße Harmonien.

Im Konzert wird das härter, metallischer, liegt näher am Punk, ohne eindimensional zu wirken. Davor schützen sich Cocoon Fire mit Pop-Melodien wie in "The Wound That Never Heals", einem Bastard aus pumpender Strophe und herzzereißendem Refrain, an dem in einer gerechten Welt kein Radiosender vorbei kommen würde.

Nicht alle Songs auf "Wild Blood" sind neu, vier der elf gab es vorher schon in Versionen, die den Musikern nicht ganz gefielen. Also wurden sie noch mal aufgenommen wie "Masquerade", das jetzt tiefergelegt und viel fetter klingt. Kein Wunder, singt doch Johanna Bratke eine zweite Stimme in das dominante Gitarrenfiepen, die dem Refrain über eine Vampirin eine neue Dimension hinzufügt. "Jump on my train and sit down with me / Lets have a trip / out of reality", fordert Felix Heklau dann in "Hobos in Love", einer Odé an die US-Wanderarbeiter der 30er Jahre, die während der Depression heimatlos umherzogen, in Güterzügen schliefen und am Lagerfeuer Gitarre spielten.

Der Hobo von heute ist ein Großstädter, der The National und Chuck Berry hört und elektrisch rockt. Das Gefühl aber ist dasselbe, weltweit und unwiderstehlich: Verloren, allein in einer kalten Welt, in der trotz Facebook und Vernetzung ein Grundgefühl von Einsamkeit herrscht. Das findet sich hier vertont auf dem Stil-Niveau von Bloc Party, Killers oder Maximo Park, treibend, jenseits der Steifheit, die deutschen Gitarrenbands oft eigen ist. Und eben aus Mitteldeutschland, was an der Qualität der Musik nichts ändert, auch wenn es im engstirnigen Business an der Rezeption etwas ändern mag. Man muss über solche Dinge lachen können, und die vier von Cocoon Fire können es. Letztes Jahr schon schraubten sie vom durchaus discotauglichen Song "Masquerade" einen "World Domination Remix" zusammen, bei dem ein brummiger Sägebass vorn, der einprägsame Gesang von Felix Heklau aber ganz weit hinten steht. Nicht nur Rockgeschichte, das zeigt sich, sondern auch Pop ist hier bekannt, sogar der aus der eigenen Stadt: Beim Release-Konzert verneigten sich Cocoon Fire im Zugabeteil mit "Dance Radio" vor den lokalen Kollegen von Baby Universal.