Neues Theater Neues Theater: Das Grauen im Haus
Halle (Saale)/MZ. - Wie soll das nur gut werden mit diesem Paar? Das fragt man sich, kaum, dass Sandra (Danne Hoffmann) und Ronny (Andreas Range) die Szene betreten haben. Essen wird aufgetragen, Wein soll dazu getrunken werden. Offensichtlich gibt es etwas zu feiern im Eigenheim, das unfertig und lieblos wirkt. Auch kalt. So, wie die beiden miteinander umgehen.
Dabei erwarten sie doch ein Kind, der Anlass des privaten Festes wird nachgereicht wie fast alle Informationen in diesem Stück, dessen Krimi-Dramaturgie ihren Teil zur Spannung beiträgt. Hier ist überhaupt nichts in Ordnung, das ist allerdings beizeiten klar.
Der Star-Schauspieler Dominique Horwitz hat als Gast "Waisen" von Dennis Kelly in der Kammer des Neuen Theaters Halle inszeniert, nach der Premiere am Freitagabend gab es langen, begeisterten Applaus für ihn und seine Darsteller. Der Regisseur legt mit der latenten Nervosität und Gereiztheit seiner Protagonisten die Basis, auf der sich das schreckliche Geschehen dann vollziehen kann - folgerichtig und sehr glaubwürdig. Großartig ist, mit welcher Präzision und Präsenz Danne Hoffmann und Andreas Range sich auf dieses Spiel einlassen, das einen Zustand beschreibt und Ursachen wenigstens andeutet - aber niemals moralisiert. Das Stück und die Inszenierung sind ganz bei den handelnden Personen, deren Verletzungen und Ängste so plastisch werden, dass man dran bleiben muss an dieser furchtbaren Geschichte.
Freilich ist es dem Zuschauer anheimgestellt, sich auf die Figuren einzulassen und sich womöglich auch selbst dazu zu befragen. Auf die Seite der Guten und Gerechten zu flüchten, dürfte indes schwer fallen. Zu einleuchtend, zu beklemmend alltäglich sind die Verstrickungen in Furcht und Schmerz, zu nahe das Bemühen, das Einzige zu retten, das Halt geben kann: die Liebe. Wenn sie denn nicht schon gestorben ist.
Die Handlung nimmt Fahrt auf, als Dennis (Patrick Wudke vom Studio des Neuen Theaters) das tiefgefrorene Familienidyll seiner Schwester Sandra endgültig zerstört. Blutüberströmt tritt er auf, stammelnd und offensichtlich unter Schock stehend, erzählt der junge Mann seine Geschichte.
Und je länger die bruchstückhafte, in sich widersprüchliche Erklärung dauert, um so deutlicher wird, dass es ganz anders gewesen sein muss, als Dennis, der einen Nazi zum Freund hat, glauben machen und selber glauben will.
Nicht ein Unbekannter hat einen Halbwüchsigen verletzt, den Dennis angeblich gefunden und aufgehoben hat - er selber war der Täter. Er hat sein Opfer, einen ausländischen Familienvater, mit Schlägen und einem Messer traktiert. Und er hat den schwer verletzten Mann schließlich weggebracht. Quälend lange dauert das Kreuzverhör, das Sandra und Ronny mit dem jungen Mann veranstalten, einander dabei noch missverstehend und misstrauend. Und quälend deutlich wird, dass sie keine Chance haben, etwas zu retten. Auch um den Preis nicht, den schließlich Ronny dafür bezahlt: Er geht hinaus und versucht, das Opfer seines Schwagers zum Schweigen zu bewegen. Und wenn er ihn umgebracht hat?
Andreas Range zeigt einen Verzweifelten, der sich in einem System aus Angst und Hilflosigkeit bewegt, der Panzer seiner Arroganz hat sich schon früh als löchrig und unbrauchbar erwiesen. Sandra soll das Kind abtreiben lassen, fordert er zum Schluss von seiner Frau. Aber er will es nicht wirklich. Wie Sandra ihn, Ronny, nicht verlassen will. Sie hat ja nur ihn - und Dennis, den Bruder, dem sie hilft, seit sie als Kinder ihre Eltern verloren. Es gibt keinen Ausweg außer dem Leben. Diese Botschaft hat der Abend denn doch. Stark.
Nächste Vorstellung am 7. April um 20 Uhr, Neues Theater, Kammer