Natalie Portman im Interview Natalie Portman im Interview: "Youtube ist ein Glücksfall"

Miss Portman, waren Sie schon mal im Weißen Haus?
Oh ja, das war ich, vor ein paar Jahren für eine Führung, dank Präsident Obamas Team. Das war eine sehr beeindruckende Erfahrung. Unser Produktionsdesigner Jean Rabasse hat bemerkenswerte Arbeit geleistet. Seine Nachbildung der Räume im Weißen Haus waren enorm präzise und sorgfältig ausgearbeitet. Es war dabei ein echter Vorteil, dass wir „Jackie“ nicht in den USA, sondern in Paris gedreht haben. Denn viele Arbeiten, die einst am Weißen Haus in Washington vorgenommen wurden, beherrschen heute nur noch französische Handwerker.
Wie wichtig sind die richtigen Kulissen für Sie, um als Schauspielerin Ihr Bestes zu geben?
Je echter etwas aussieht und sich anfühlt, desto leichter macht es mir die Arbeit, keine Frage. Dann kann man sich ein bisschen mehr fallen lassen. In diesem Fall war das Besondere, dass unser Regisseur Pablo Larraín und sein Kameramann Stéphane Fontaine eine ganz spezielle Art der Zusammenarbeit hatten. Stéphane trug die Kamera fast immer auf seiner Schulter und fast alles wurde improvisiert. Dadurch konnte ich mich bewegen wie und wohin ich wollte, ohne auf Markierungen am Boden achten zu müssen. Das, gepaart mit den beinahe echten Räumen, sorgte für einen besondern Realismus.
Jackies Look war sicherlich auch nicht unerheblich, oder?
Selbstverständlich, die wunderbaren, von unserer Kostümdesignerin entworfenen und nachempfundenen Outfits. Und nicht zuletzt Make-up und Frisur. Ich sehe Jackie ja ehrlich gesagt nicht wirklich ähnlich. Vielleicht mal abgesehen von der Haarfarbe. Aber wenn ich nach der Maske in den Spiegel sah, dann hatte sogar ich manchmal das Gefühl, dass sie mir da entgegenblickt.
Jackie Kennedy war die erste First Lady der USA, die Mode und ihren Stil auch politisch einzusetzen wusste. Was war ihr Geheimnis?
Es war natürlich sowohl für sie als auch für ihren Mann John F. Kennedy das Glück, dass sie die ersten einer neuen Politikergeneration waren, in der Debatten und andere Auftritte im Fernsehen übertragen wurden. Entsprechend bewusst war sie sich, welche Wirkung Bilder auf die Menschen haben konnten, selbst wenn es eigentlich um inhaltliche Dinge ging. Nicht umsonst hat sie in ihren Interviews darüber gesprochen, wie unfair letztlich die Fernsehdebatten waren, weil Jack so selbstbewusst, jung und gut aussehend war, dass Nixon neben ihm zwangsläufig wie ein alter, schwitzender und ungehobelter Alter wirken musste. Aber auch mit Blick auf sich selbst wusste sie um ihre Außenwirkung. Nicht zuletzt das zeigt ja „Jackie“: wie sie sehr sorgfältig daran arbeitete, ein bestimmtes Bild von sich zu transportieren.
Vom Aussehen über ihre Manierismen bis zu ihrem Dialekt kommen Sie der echten Jackie sehr nah. Wie haben Sie sich ihr angenähert?
Ich hatte keinerlei Kontakt zur ihrer Familie, denn die meidet jeden Kontakt zur Öffentlichkeit. Aber natürlich findet man – eben weil damals bereits so vieles aufgezeichnet wurde – jede Menge Material online. YouTube ist in dieser Hinsicht wirklich für jeden Schauspieler heutzutage ein Glücksfall. Dank all der Videos, sie ich gefunden habe, bekam ich schon ein gutes Gespür für sie, zumal man richtig nachvollziehen kann, wie sie sich entwickelt hat.
Nämlich?
Am Anfang, als Jack für den Senat kandidierte, war sie noch deutlich rauer, um es mal so auszudrücken. Später feilte sie am eigenen Image, gab sich demütiger und senkte lieber den Blick als zu direkt in Kameras oder Augen zu blicken. Jenseits der Filmaufnahmen haben mir natürlich auch jede Menge Bücher weitergeholfen. So ziemlich jeder, der sie kannte, hat seine Erinnerungen veröffentlicht, vom Bodyguard bis zum Kindermädchen. All diese unterschiedlichen Perspektiven waren sehr aufschlussreich.
Jackie wollte nicht nur Kennedys Witwe sein...
Blieb trotzdem noch genug Freiraum um die Rolle nicht zu bloßen Imitation verkommen zu lassen?
Selbstverständlich. Diese Jackie ist meine eigene Interpretation von ihr, das Produkt meiner Vorstellungskraft. Dafür war es gar nicht schlecht, dass sie sich damals immer ausbedungen hat, ihre Interviews zu redigieren. Wenn man die liest oder hört, dann merkt man stets, dass es Lücken gibt und Dinge fehlen. Einfach weil sie gewisse Dinge gesagt hatte, die sie dann doch nicht veröffentlicht haben wollte. Da merkt man dann immer, dass die Öffentlichkeit eben doch nicht alles von Jackie kannte und wusste. Diese Leerstellen konnte ich selbst füllen, was ein Geschenk war.
Im Film sagt Jackie, sie wolle nicht nur Kennedys Witwe sein...
Was ihr auch gelungen ist. Sie war Jackie Kennedy, später Jackie Onassis. Aber sie war nie über diese Nachnamen definiert, deswegen heißt unser Film auch nur „Jackie“, und trotzdem weiß jeder, wer gemeint ist. Sie hatte nicht die geringste Lust, den Rest ihres Lebens ausschließlich ihrem verstorbenen Mann zu widmen. Genau das ist es auch, worum es in unserer Geschichte geht: wie sie sich selbst findet und als öffentliche Person erschafft.
Sie selbst scheinen sich längst gefunden zu haben, nicht nur als Schauspielerin, sondern inzwischen auch als Regisseurin. Erst vor einigen Monaten lief mit „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ Ihr Regiedebüt in den Kinos...
Das würde ich unterschreiben. Und in gewisser Weise hat das viel damit zu tun, dass ich Mutter geworden bin. Durch die Geburt meines Sohnes wurde ich als Mensch ruhiger, was nicht zuletzt beim Regieführen hilft. Tatsächlich gibt es sogar einige Parallelen zwischen dem Muttersein und dem Filmemachen. In beiden Fällen versucht man, eine Umgebung zu schaffen, in der andere – also das Kind oder eben das Team – ihr Potenzial voll ausschöpfen können.
Wollen Sie in Zukunft weiterhin inszenieren?
Auf jeden Fall, das steht außer Frage. Noch habe ich kein konkretes Projekt, an dem ich arbeite. Doch ich habe keinen Zweifel daran, dass ich wieder eines finden wird. Schon allein weil sich dringend etwas tun muss und wir in unserer Branche viel mehr Frauen brauchen, die Regie führen.
Sie selbst haben in Ihrer über 20-jährigen Karriere erst einmal vor der Kamera einer Frau gestanden. Der Film „Planetarium“ der Französin Rebecca Zlotowski lief 2016 beim Festival in Venedig...
Sie haben Recht, aber es ist nicht so, dass ich ständig Regisseurinnen einen Korb gegeben habe. Es gibt nur einfach wirklich zu wenige Frauen, die die Möglichkeit bekommen, eigene Filme umzusetzen. Und es müssen auch mehr Frauen den Mut und die Leidenschaft haben, das wirklich zu wollen. Gerade in Hollywood. In Frankreich, wo ich zuletzt lange gelebt habe, ist das Problem nicht so groß. Da nähert sich die Frauenquote hinter der Kamera den 50 Prozent, vermute ich.