Musik Musik: «Ich muss meine Kraft einteilen»

Dresden/dpa. - Schon als Kind lernte der 1943 in Sosa (Erzgebirge) geboreneKünstler mit österreichischen Lauten- und Geigenbauern unter seinenVorfahren neben Trompete auch Klavier, Orgel, Flöte und Cello. «EinTrompeter spielt mit dem Atem, das hat mich begeistert», erklärt erseine Instrumentenwahl. Später studierte er an der MusikhochschuleLeipzig. Seine Konzertkarriere begann 1965 beim Händel-Festspiel-Orchester Halle. Von 1969 bis 1980 war er Solotrompeter der DresdnerPhilharmonie. Seitdem widmet er sich verstärkt der Kammermusik undgründete drei eigene Ensembles: das Leipziger Bach-Collegium, dasBlechbläserensemble und das Kammerorchester Virtuosi Saxoniae.
Freunde Alter Musik schätzen ihn wegen solistischer Qualitäten undseines Engagements für schon in Vergessenheit geratene Komponistendes Barock. «Ich habe so viel ausgegraben, dass ich 150 Jahre altwerden müsste, um es zu bearbeiten.» Die Liste seiner Schallplatten-und CD-Aufnahmen ist lang. Pro Jahr gibt Güttler 115 Konzerte,überwiegend in Deutschland, leitet Opernproduktionen, Meisterkurseoder Musikwettbewerbe. Noch immer übt er täglich 40 Minuten, beiKonzerten und mit Proben aber über fünf Stunden.
Entspannung findet der fast zwei Meter große Künstler beim Lesen,Spaziergängen im Wald oder der Gartenarbeit. Musik hört er privatselten, weil er ja bei seiner Arbeit selbst auch Hörer sei. «Wenn ichetwas Ruhe habe, setze ich mich in meinen Garten und höre den Vögelnzu», sagt der fünffache Vater und zweifache Großvater.
Im Vordergrund steht für ihn die Musik, aber sein Herz hängt auchan der Architektur - einst sein heimlicher Berufswunsch. So ist seinName untrennbar mit dem Wiederaufbau der 1945 zerstörten DresdnerFrauenkirche verbunden. «Es war ein Risiko ohne Aussicht auf Ertrag»,beschreibt er die Anfänge im Wendejahr 1989. Erstmals daran gedachthabe er 1968, als die Universitätskirche Leipzig gesprengt wurde.«Dieses Zerstören aus ideologischem Bestreben machte klar, dass wirdie Frauenkirche als Symbol von Weltbedeutung im Protest gegen dieseBanausen aufrichten müssen. Der Zeitraum war egal, wichtig war dererste Schritt, dem sich ein zweiter anschließen kann.»
Zwei Jahrzehnte später nahm diese Idee Gestalt an. «Ich wusste,dass wir das schaffen werden, nur nicht, wie lange wir brauchenwerden.» Für den Anspruch, mindestens die Hälfte der geschätztenKosten durch Spenden aufzubringen, hat Güttler bei etwa 1500 Konzert-Gastspielen auch selbst Geld gesammelt. Das brachte ihm nicht nurAnerkennung ein, sondern auch den Vorwurf, sich für Benefizauftritteseiner Ensembles in der Unterkirche zu Gunsten des Wiederaufbaus derFrauenkirche üppig honorieren zu lassen. «Ich spiele, leite undorganisiere von Anfang an ohne Honorar», betont Güttler. Die StiftungFrauenkirche hat ihn nach einer Prüfung entlastet.
Als Mitglied im Sächsischen Kultursenat und der SächsischenAkademie der Künste mischt sich Güttler in die Kulturpolitik ein. Diemusische Bildung in Deutschland sei ein Stiefkind geworden. «Weil siein der Schule nichts gilt, wird auch zu Hause nicht geübt», beklagter. «Kunst und Kultur sind Investition in alle Menschen, keine Zugabezum gesellschaftlichen Leben.» Die rein ökonomische Betrachtungsweiseder Kultur sei unmenschlich: «Man wird den Wert der Kultur erstbegreifen, wenn man sie nicht mehr hat.»