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Musik Musik: 25 Jahre Internationale Bachakademie Stuttgart

Von Ulf Mauder 30.10.2006, 08:38
Helmuth Rilling, Gründer und Künstlerischer Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart und weltweit gefragter Gastdirigent, in den Räumen der Bachakademie in Stuttgart (Foto: dpa)
Helmuth Rilling, Gründer und Künstlerischer Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart und weltweit gefragter Gastdirigent, in den Räumen der Bachakademie in Stuttgart (Foto: dpa) dpa

Stuttgart/dpa. - Doch die Musik des Komponisten hatlängst ein echtes Zuhause in der Schwabenmetropole: In einer altenVilla am J.-S.-Bach-Platz hat die Internationale Bachakademie ihrenSitz, und zwar schon seit 25 Jahren. Am 16. November 1981 wurde dieseStätte für Musikpflege, Forschungen und die Ausbildung junger Musikergegründet. Ihre Musiker begeistern Klassikfreunde immer wieder aufsNeue in großen Häusern - von der Liederhalle Stuttgart bis zurCarnegie Hall in New York. In vielen Ländern gibt es heuteBachakademien, unter anderem in Venezuela, Polen und Kanada.

Als der Dirigent Rilling die Einrichtung völlig im Schatten desrenommierten Bach-Archivs in Leipzig gründete, ging es ihm - alskünstlerischem Leiter - und dem Intendanten Andreas Keller um einentheologischen Gegenpol zur Nationalen Forschungs- und Gedenkstätteder DDR. «Da alle echten Bachstätten in der DDR - in Leipzig undEisenach - waren, mussten wir im Westen der damals im 19. Jahrhundertstecken gebliebenen Aufführungsweise etwas entgegen setzen», sagtKeller. «Die Bach-Pflege der DDR hat versucht, den Komponisten vomKirchenmusiker zum Arbeiter- und Bauernsohn umzuschreiben.»

Leipzig hat immer mit seinem früheren Thomaskantor werben können,wie Eisenach, wo der Komponist geboren wurde. Stuttgarts Bachakademiehingegen musste sich einen eigenen Namen machen - und muss seiteinigen Jahren mit immer weniger öffentlichen Zuschüssen auskommen.Bei sechs Millionen Euro liegt der Jahresetat. «Wir sind froh, wennwir alles, wie es ist, halten können», sagt Rilling. Dass Bach-Forschungen nicht gerade von selbst laufen, zeigt die Schließung desBach-Instituts in Göttingen zum Ende dieses Jahres.

In Stuttgart ist Bach zwar Dreh- und Angelpunkt - mal verjazzt,mal pur, verfilmt oder auch ganz trocken in der Bibliothek mit denrund 8000 Bänden. Doch widmet sich die Akademie auch den Vorgängernund Nachfolgern des Meisters und vergibt Kompositionsaufträge. Dazugehören die Einspielung von Krzysztof Pendereckis «Credo» - mit demGrammy für die beste Chor-Darbietung ausgezeichnet - oder auchMozarts von Robert Levin komplettierte c-Moll-Messe. Rilling kramteauch immer wieder aus den Schubladen der Musikgeschichte Werke herausund machte sie zum Erfolg, wie 2004 die Oper «Der Onkel aus Boston»von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Für zehntausende Menschen erklingen die Werke jedes Jahr währendder Bachwoche im Winter und im Spätsommer zum Europäischen Musikfest,bei dem sich nicht nur Stars der Klassik in Stuttgart treffen - wie2007 Zubin Mehta mit seinem Israel Philharmonic Orchestra. Auch jungeMusiker aus 25 bis 30 Ländern stehen jedes Jahr Schlange, um imFestivalensemble der Bachakademie das an Hochschulen oftvernachlässigte Ensemblespiel zu verfeinern.

Weil er als einziger das Gesamtwerk Bachs auf 172 CDs eingespielthat, gilt der weißhaarige Rilling, der unter anderem bei LeonardBernstein das Dirigieren lernte, als «Bach-Papst». Bekannt sind inStuttgart seine Gesprächskonzerte, bei denen er musikalischeBeispiele live musiziert und erklärt. Zudem ist die InternationaleBachakademie Trägerin des 1965 gegründeten Bach-Collegiums und desChor-Ensembles Gächinger Kantorei Stuttgart, die Rilling 1954 alsStudent ins Leben rief.

«Musik muss die Menschen persönlich erreichen, muss sie aufrüttelnund zum Nachdenken bewegen. Musik darf nicht bequem sein, nichtmuseal, nicht beschwichtigend», nennt Rilling seine Devise alsLehrer. Er bedauert, dass nur etwa 15 Prozent von Bachs Werk «imBereich der allgemeinen Musikerwartung liegen». Trotz seinerinzwischen 73 Jahre denkt der Botschafter Bachs nicht ans Aufhören.«Das Dirigieren ist mein Sport», sagt er in seiner ruhigen undbescheidenen Art. Bis 2010 seien die Musikfeste mit ihm fest geplant.