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Motörhead Motörhead: Durchdrehen: nicht mehr und nicht weniger

Von Christian Kamp 17.10.2005, 09:57

Hamburg/dpa. - «Wir sind Motörhead», brüllt er zum Auftakt jedes Konzertes in sein viel zu hoch angebrachtes Mikrofon, «wir spielen Rock and Roll!» Das Geheimnis des Erfolgs kann so einfach sein, auch und gerade seit die populäre Musik oft am Reißbrett von Marketing-Strategen entsteht, anstatt in den Köpfen ausdrucksstarker Gefühlsmenschen. Motörhead pflegt ein durchweg bodenständiges Prinzip: «Wir kommen in Eure Stadt, drehen richtig durch, und dann verschwinden wir wieder.» So kündigt der 59 Jahre alte Kilmister im dpa-Interview die Jubiläumstournee zum 30-jährigen Bestehen von Motörhead an, die im Oktober auch für acht Termine nach Deutschland kommt.

Durchdrehen, nicht mehr und nicht weniger. So hat sich Motörhead einen Ruf erarbeitet, der die Grenze zum Mythos mühelos überschreitet: Kaum eine Band verkauft so viele T-Shirts wie Motörhead, auch wenn längst nicht jeder stolze Träger auch eine Platte der Band besitzt. «Dafür kann ich nichts», sagt Lemmy, der weiß, dass sich so mancher «Fan» gerne mit dem wilden Außenseiter- Image schmückt. Die ohrenbetäubenden Konzerte sind der wahre Test: «Ich glaube nicht, dass man uns zuschauen könnte, wenn man die Musik nicht wirklich mag.»

Motörhead steht seit der Gründung 1975 für harten, ehrlichen, und vor allem möglichst lauten Rock: Die minimalistische Dreier-Formation mit Gitarre (derzeit: Phil Campbell), Schlagzeug (Mikkey Dee) und Lemmy selbst am Rickenbacker-Bass hat ­ mit kleineren Ausnahmen ­ seitdem Bestand. «Wir haben keine besonderen künstlerischen Scheiß- Tricks auf Lager», sagt Lemmy, der vor allem eines nicht will: sein Publikum langweilen. «Eine gute Rockband definiert sich ganz einfach», meint er: «Nach der Show muss man sich einen Kopf größer fühlen. Man muss die besondere Energie spüren.»

Lemmy ist eines der Gesichter des Rock'n'Roll ­ wenn auch nicht sein attraktivstes, wie das gerne bemühte Klischee lautet. Eine ungeheure Bühnenpräsenz hat er allemal mit seinem langen, schwarz gefärbten Haar, dem verwegenen Bart, einem bis zum Nabel aufgeknöpftem schwarzen Hemd, das den Blick nicht nur auf das üppige Brusthaar sondern auch auf ein Wehrmachtkreuz um den Hals freigibt. Mächtige Tätowierungen auf den Unterarmen verstehen sich von selbst. Kaum zu glauben, dass Lemmy schon fast 60 ist.

«Sein Trick ist, dass er schon vor dreißig Jahren alt aussah», schrieb vor einiger Zeit die «Süddeutsche Zeitung». Aber ist gar kein Trick dabei. «Man kann nicht sein ganzes Leben 30 sein», gibt Lemmy unumwunden zu. Der Unterschied zu den ersten Tourneen vor drei Jahrzehnten sei ganz einfach: «Damals gab es viel mehr Mädchen», berichtet Lemmy und klingt mit seiner vom Whiskey («alle Sorten») rauen, aber dennoch angenehmen Stimme ein bisschen wehmütig: «Das Alter...»

Weitere Projekte mit Motörhead stehen an. Im November erscheint eine Jubiläums-Edition des aktuellen Albums «Inferno»; die neue Platte kündigt Lemmy für den Sommer an. Große Überraschungen wird sie nicht bieten, aber das erwartet auch niemand. Das Rezept lautet seit jeher Rock'n'Roll, und den will Lemmy hart und laut spielen, anstatt ihn zu zerreden: «Je mehr man versucht, das zu analysieren, desto mehr versaut man die Sache.»

(dpa)