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MDR-Sendung zur Völkerschlacht MDR-Sendung zur Völkerschlacht: Vorwärts in die Vergangenheit

Von andreas montag 20.10.2013, 12:00
Ingo Zamperoni moderiert live aus der Vergangenheit.
Ingo Zamperoni moderiert live aus der Vergangenheit. mdr Lizenz

halle/leipzig/MZ - Der Versuch ist in diesem Fall keineswegs strafbar, sondern durchaus ehrenwert. Aber gelungen ist das Experiment des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) nicht: Live, liver, am livesten - mit dieser absurden Steigerung lässt sich die Philosophie am treffendsten beschreiben, die hinter dem Völkerschlacht-Projekt des Heimatsenders steht - und Schule machen wird, wie zu befürchten ist.

Insgesamt ist das Paket, das der MDR für sein Publikum schnürte, freilich zu loben. Trimedial, wie das schöne Schlagwort heißt, wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt: mit Hörfunkbeiträgen im MDR-Kulturradio Figaro, mit einer sehr guten, übersichtlich gestalteten Internet-Präsenz einschließlich des rege frequentierten Diskussionsforums - und mit den an vier aufeinander folgenden Tagen ausgestrahlten „MDR Topnews“ eben, dem Zentralereignis des Ganzen.

Zamperoni verbeißt sich das Lachen

Dafür den gut aussehenden, wieder bartlosen und grundseriösen ARD-„Tagesthemen“-Mann Ingo Zamperoni einzukaufen, ist natürlich ein Coup gewesen, die halbe Miete sozusagen. Gleichwohl hat einen beim Zuschauen das eine oder andere Mal der Verdacht beschleichen wollen, dass sich der Nachrichtenprofi bei seinen Anmoderationen für die jeweilige „Live“-Schaltung zum nachgebauten Schlachtgetümmel selber das Lachen verbeißen musste. Ein Wunder wäre es jedenfalls nicht gewesen, auch beim Zuschauen hat man, so ernst das Gemetzel in Wahrheit ja gewesen ist, eigentlich eher kichern müssen.

Was soll man auch davon halten, wenn ein Schauspieler in braunstichiger Mönchskutte vor einer blakenden Fackel steht und mit gehetzter Stimme davon berichtet, was jetzt so los ist in Leipzig. Und „Jetzt“ ist eben vor 200 Jahren. Wenig später gibt es verwackelte Bilder schemenhafter Gestalten, die der MDR mit seiner Nachtsichtkamera heimlich beim Plündern und Leichenfleddern gefilmt haben will. Ja, so hat man sich das immer vorgestellt als kleiner Moritz. Und nach der Sendung geht man nach draußen und schaut, ob auch das Hoftor sicher verriegelt ist...

Anliegen und Inhalte verschwinden im inszenierten Pulverdampf

Bei aller Liebe, diese „Live“-Suggestion hat wirklich komische Züge. Dabei haben die Planer beim MDR nur den Zug der Zeit genommen: Die Menschen wollen immer ganz nah dran sein. Und ganz schnell. Wie im Internet. Oft genug spielen sie ja schon selber mit, bei Facebook zum Beispiel. Aber es kann eben passieren, dass wie im Falle der „Live“-Übertragung von der Völkerschlacht das Anliegen und die Inhalte im inszenierten Pulverdampf verschwinden.

Heute soll es im MDR-Hörfunk bei den Sportberichten mit „Social Radio“ weitergehen: Hörer werden sich in die laufende Sendung einmischen können. Das klingt interessant. Ein neuer Versuch, das Publikum zu binden. Und sicher nicht der letzte. Medien müssen sich alle nach der Decke - also nach der Kundschaft strecken.