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Margarethe von Trotta über Hildegard von Bingen

24.09.2009, 10:28

München/dpa. - Regisseurin Margarethe von Trotta (67) ist bekannt für ihre Geschichten über starke Frauen und hat sich damit in den vergangenen Jahren auch international einen Namen gemacht.

Jetzt wendet sie sich erneut einer Frauenfigur zu, die sich in einer von Männern dominierten Welt behauptet: Der Hildegard von Bingen. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa berichtet sie, was sie zu dem Film «Visionen - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen» bewegt hat.

Warum kennen bis heute die meisten Deutschen den Namen Hildegard von Bingen?

von Trotta: «Es gibt sehr viele Leute, die sich für Hildegard interessieren. Das beschränkt sich allerdings meistens auf die Kräuter-Kunde. Es gibt jede Menge Apotheken, die sich Hildegard-Apotheken nennen. Es gibt Kosmetik und vieles andere, das sie sicherlich nie gemacht hat, was ihr aber jetzt zugeschrieben wird. Hildegard ist bei mir keine reine Kräuterfrau, und auch keine, die Dinkelplätzchen backt. Ob die Menschen, die sich allein für diese Seite von ihr begeistern, mit dem Film einverstanden sind, und ob sie dort das finden, was sie suchen, da wäre ich eher skeptisch.»

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, das Leben von Hildegard von Bingen zu verfilmen?

von Trotta: «Anfang der 1980er Jahre bin ich zum ersten Mal auf ihren Namen gestoßen. Viele Frauen der Frauenbewegung waren damals von ihrer Kraft, ihrem Pragmatismus bei aller Gläubigkeit, und ihrem Durchsetzungsvermögen fasziniert. Heute wissen wir noch mehr von ihr, auch ihre Heilmethoden haben bei vielen Menschen Anklang gefunden. Es gibt sogar Ärzte, die reine Hildegard-Ärzte sind.»

Welche Informationen über die historische Figur sind heute noch zugänglich und welche waren wichtig für den Film?

von Trotta: «Hildegard hat ihre eigene Vita diktiert, das heißt, sie hat ihr Leben selbst beschrieben. Außerdem hat sie viele Briefe verfasst und ihre Visionen festgehalten. Ich wollte sie in ihrer Zeit belassen und zeigen, was sie in ihrer Zeit, aber auch ihrer Zeit voraus, geleistet und bewirkt hat. Sie ist vom Vatikan nie heiliggesprochen worden, das bedeutet ja etwas. Sie ist 'nur' eine Volksheilige. Gleichzeitig sollte sie auch ein Mensch bleiben mit Gefühlen, die uns alle vertraut sind.»

Waren Hildegards göttliche Visionen echt - oder glauben sie, dass sie sie nur vorgespielt hat, um mehr Macht zu bekommen?

von Trotta: «Ich glaube, die Visionen waren aus ihrer Perspektive schon echt, für sie waren es Aufträge von Gott. Von heute aus betrachtet - wir haben ja mittlerweile über die Psychologie und Neurologie ganz andere Einsichten - kann man das Ganze schon so interpretieren, dass sie die Visionen auch benutzt hat. Unbewusst. Denn es ist ja schon verrückt, dass sie zum Beispiel manchmal fast totenstarr wird, und kaum kommt die Nachricht, dass sie tun darf, was sie will, wird sie gleich wieder lebendig.»

Obwohl der Titel Vision heißt, werden die Visionen filmisch kaum gezeigt.

von Trotta: «Ja, ich habe die Visionen bis auf die allererste im Film weggelassen. Die erste Vision ist ihre Initiation, in der das Licht wie ein Blitz aus dem Himmel kommt und ihr einen Befehl erteilt. Das musste ich bringen. Alle anderen habe ich dann weggelassen, weil ich befürchtete, das würde kitschig oder Kunstgewerbe.»

Wie haben Sie die historische Figur des Mönchs Volmar eingebracht?

von Trotta: «In der Beziehung zu Volmar ist Spannung. Das habe ich ganz bewusst so inszeniert, denn er ist nun mal ein Mann, warum soll da nicht auch irgendwo eine Art Eros dabei sein, ohne dass die beiden es jemals ausgelebt hätten. Dass Volmar über lange Jahre ihr Hauptmitarbeiter und Freund war, das ist überliefert.»

Warum ist Hildegard von Bingen auch in den USA berühmt?

von Trotta: «In den USA ist vor allem ihre Musik bekannt. Anfang der 1990er Jahre wurde dort eine CD mit ihren Gesängen herausgebracht, allerdings psychedelisch aufgearbeitet. Mit großem Erfolg. Ich weiß noch, wie ich in Los Angeles unterwegs war. Wir kamen an einem großen CD-Laden vorbei, und da hing ein riesiges Plakat mit Hildegard von Bingen. Ich konnte es gar nicht glauben. Ich habe mir dann die CD gekauft. Sie klang sehr schön, war aber natürlich überhaupt nicht authentisch.»

Welche starken Frauen haben sie für ihre nächsten Filme noch im Kopf?

von Trotta: «Das wird schon fast peinlich zu sagen, aber ich habe schon ein Drehbuch zu Hannah Arendt geschrieben, zusammen mit einer amerikanischen Drehbuchautorin, Pam Katz. Es ist seit vier Jahren fertig. Das wollte ich eigentlich anstelle von Hildegard verfilmen, aber meine deutsche Produzentin hat bisher leider die Finanzierung noch nicht zusammen.»

Interview: Britta Gürke, dpa

www.concorde-film.de