"Magdeburg sein" "Magdeburg sein": Das zeigt der Film von Mathias Max Herrmann

Magdeburg - Dieser Film ist nur 45 Minuten lang und nimmt sich dennoch alle Zeit der Welt. Wunderbar entschleunigt stellt die Dokumentation „Magdeburg sein“ von Regisseur Mathias Max Herrmann Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt mittels ausgewählter Bewohner vor.
Die zugereiste Studentin Elisabeth Wiens kommt ebenso zu Wort wie die hier geborene Taxifahrerin Heike Krakau und der dem Ort seit Jahrzehnten eng verbundene Kunsthistoriker Norbert Eisold. Letzterer meint, dass Magdeburg eine Stadt sei, die großes Potenzial habe, aber bislang unter ihren Möglichkeiten bleibe. „Das müssten doch auch andere sehen – von Amts wegen und nicht von Amts wegen“, so Eisold.
"Magdeburg sein": Das beklagen Einwohner an ihrer Stadt
Ähnliches sagt auch Wolf Bunge, der zwischen 1990 und 2001 Intendant der Magdeburger Kammerspiele war und dem, als er an die Elbe kam, gefiel, dass die Stadt „etwas Punkiges“ hatte. Die dürftige Außenwahrnehmung Magdeburgs ist es, die Stefan Wewerka (1928-2013) beklagt, der einer der bedeutendsten Künstler war, die die Universitätsstadt im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat.
Flankiert werden diese Auskünfte von ruhigen Luft- und Zeitrafferaufnahmen, die uns eine Stadt zeigen, die auch und vor allem wegen ihrer besonderen Geschichte einen ganz speziellen Charme hat.
Dieses Versprechen gibt Oberbürgermeister Lutz Trümper
Gleich zweimal wurde Magdeburg fast dem Erdboden gleichgemacht: im Dreißigjährigen und im Zweiten Weltkrieg. Mögen die Folgen der Zerstörung des Jahres 1945 immer noch zu spüren sein, so gilt nur der Blick nach vorn. Das zumindest ist das Credo von Oberbürgermeister Lutz Trümper. Der gibt im Film das Versprechen, dass die Stadt die seit 1997 baupolizeilich gesperrte Hyparschale retten werde. „Es ist ein Denkmal, das muss erhalten bleiben“, sagt Trümper über jene sensationelle Halle von Ulrich Müther (1934-2007), der, wenn er nicht in der DDR gelebt hätte, ein Architekt von Weltrang hätte werden können.
Mag bislang auch kein Nutzungskonzept vorliegen, so bildet die Hyparschale im Film die Bühne für das „Andante Müther 2304“ von Hyparschall, einem Projekt der Musiker Gerald Rabe (Elektronik) und Katrin Ribbe (Orgel).
So wirkt Magdeburgs Trauma von Krieg und Zerstörung bis heute nach
Ganz ohne Erinnerung an die Verheerungen der vergangenen Jahrhunderte geht es dann doch nicht. Über die katastrophalen Folgen des Dreißigjährigen und Zweiten Weltkrieges spricht etwa Wolf Ho-bohm, der viele Jahre das Magdeburger Zentrum für Telemann-Pflege und Forschung leitete. Seine Worte über die 1631 und 1945 zerstörten Kirchen und Orgeln der Stadt hörend, macht auch eine Auskunft Norbert Eisolds Sinn: „In Magdeburg spüre ich noch immer ein Trauma, das von den Zerstörungen herrührt. Ein Phantomschmerz, mit dem man nicht umgehen kann.“
Am Anfang und Ende des Films steht der Blick, den Holger Butterbach seit vielen Jahren genießt. Von seinem in einem Nebenarm der Elbe vertäuten Hausboot blickt der Schlosser, der 1990 von Duisburg nach Magdeburg kam, auf Zwillingstürme des Domes. Er werde, sagt er versonnen und mehr zu sich selbst als zur Kamera, wohl kaum wieder einen solch schönen Liegeplatz wie diesen bekommen.
Immer wieder lässt Regisseur Mathias Max Herrmann seine Akteure aus Fenstern schauen, in denen sich - wie etwa in der Szene mit der US-Künstlerin Kellie Bornhoft - buchstäblich Vergangenheit in der Gegenwart spiegelt – und fast immer auch ein Windrad. Das nimmt untergründig Bezug auf einen Gedanken, den Stefan Wewerka hatte: Zu dessen letzten Entwürfen gehörte ein Windrad-Kunstwerk, das er für den Domplatz konzipierte, da die Herstellung von Windrädern in Magdeburg heute ein wichtiger Industriezweig ist.
Magdeburg-Film dokumentiert Bewerbung für "Kulturhauptstadt Europas 2025"
Die Dokumentation soll demnächst in Magdeburgs Partnerstädten Braunschweig und Nashville (Tennessee) zur Aufführung kommen, sagt Produzent Norbert Pohlmann. „Magdeburg sein“ bilde gleichzeitig den Auftakt zu weiteren Filmen, die auch, aber nicht nur Magdeburg-Themen zum Inhalt haben sollen. Dafür wurde mit „Hyperschall Film Ton“ jüngst eine eigene Gesellschaft gegründet, wie Pohlmann sagte, der Geschäftsführer des wegen seiner vorzüglichen Ausstellungen gelobten Forums Gestaltung ist. Dort hat auch das Büro „Magdeburg 2025“ seinen Sitz, das den Antrag für den Titel „Kulturstadt Europas 2025“ vorbereitet. „Magdeburg sein – Kulturhauptstadt werden“ lautet das Bewerbungsmotto, dessen erste Hälfte auch der Dokumentation zu ihrem Titel verhalf.
Die DVD „Magdeburg sein“ ist im Forum Gestaltung Magdeburg, Brandenburger Straße 10, für 14,80 Euro erhältlich und kann auch per Mail bestellt werden: [email protected]. (mz)