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Ludwig Mies van der Rohe Ludwig Mies van der Rohe: Rundblick auf einen Mythos

Von Günter Kowa 13.11.2001, 17:01

Berlin/MZ. - Als "Totengräber des Bauhauses" haben Zeitgenossen Ludwig Mies van der Rohe bezeichnet, als er im August 1930 die Nachfolge Hannes Meyers antrat. Der Wechsel auf demDirektorenposten hätte kaum programmatischer ausfallen können. Meyer bezeichnete den Höhepunkt des politisierten Bauhauses; Mies kam als erklärt Unpolitischer. Vor allem aber rückte mit Mies die Architektur als Thema und Lehrstoffin den Vordergrund der vordem breit gefächerten Institution, und es ging um eine Architektur, die deutlich seine Handschrift trug. Zwei, demnächst drei Ausstellungen in Berlin wollen noch einmal den Mythos Mies van der Rohe inder Architekturgeschichte der Moderne von verschiedenen Seiten beleuchten. Der Glanz seines Namens scheint nicht zu verblassen.

Ob sich aus den Facetten dieser Umschau einwirklich neuer Blick auf den Namen ergibt, muss offen bleiben, bis die umfangreichste der Ausstellungen am 15. Dezember in der Alten Nationalgalerie eröffnet wird. Dieser Beitrag der Kunstbibliothek des Museums widmet sich dem Berliner Werk Mies van der Rohes ab 1907. Er geht damit zurück zu den Anfängen des Architekten in der preußisch-klassizistischen, also der Schinkel-Tradition.

Dagegen konzentriert sich der Beitrag des Vitra Design Museums auf die drei seiner Bauten aus den 20er Jahren, mit denen er sein architektonisches Credo zum Weltmaßstab machte. Vom Mehrfamilienhaus in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung überden Barcelona Pavillon zur Villa Tugendhat in Brünn erreicht er damit die Schwelle zur Berufung ans Bauhaus. Diesem Thema widmet sich das Bauhaus-Archiv, das Mies' Wirkung an den Studienarbeiten der Architekturklasse sowie dem Wandel im Kursangebot des Instituts beleuchtet, ebenso sein Agieren im politischen Ringen um das Bauhaus.

Der Möbelproduzent Vitra aus Weil am Rhein hat die Backsteinhalle des ehemaligen Abspannwerks im Prenzlauer Berg zu einem Anziehungspunkt seiner sonst am Firmensitz beheimateten Design-Sammlung gemacht. Der Blick auf Mies' Schlüsselbauten der Moderne läuft so über die nicht minderberühmt gewordenen Sitzmöbel. Anhand etlicher Originalstücke, den Bauten im Modell sowie großformatig aufgezogenen historischen Fotos wird der Zusammenhang wieder plastisch greifbar.

Die Ausstellung macht die Formwerdung der Sitzmöbel mehrfach transparent. Einerseitserschließt der Vergleich mit historischen Vorläufern der Mies'schen Sitzmöbel ihre Abkunft, bis hin zu Schinkels kreuzbeinigem gusseisernen Gartenstuhl von 1825. Andererseits wird deutlich, wie Mies in den Sesseln das Fließen seiner Räume, das Ideal der äußerst verknappten Formensprache und nicht zuletzt auch die edle Eleganz seinerArchitektur verkörpern wollte.

Dies war das gestalterische Gepäck, das Mies 1930 ans Bauhaus brachte. Vom "Bauen für das Existenzminimum" konnte da keine Rede mehr sein. Das Bauhaus-Archiv hat Schülerarbeiten aus der Architekturklasse Mies' sowie der Städtebauklasse Ludwig Hilbersheimers in ein Rondell gehängt, um das herum Arbeiten aus den verbliebenen Kursen, etwa der Fotografieoder der Reklame, wie Satelliten kreisen. Der innere Zusammenhang erscheint denn auch immer weniger zwingend. In den Schülerarbeiten schwindet zusehends die Originalität, indem einer wie der andere das Mies'sche Atrium-Haus und den offenen Grundriss variiert. Allerdings gehen diese Entwürfe eine Symbiose mit dem städtebaulichen Zeilenraster Hilbersheimers ein, die auf prophetische Weise Nachkriegsverhältnisse vorwegnimmt.

Das Bauhaus-Archiv kommt über eine oberflächliche Betrachtung des Themas kaum hinaus. Der schlampig redigierte Katalog steht trotz eines klugen einführenden Aufsatzes unter dem Niveau des Hauses. Die Schau ist aber eine Ehrenrettung Mies van der Rohes in Bezug auf den "Totengräber"-Vorwurf.

Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, bis 11. März, Katalog 15 Mark. Vitra Design-Museum, Kopenhagener Str. 58, bis 24. Februar, Katalog 58Mark.