Literatur Literatur: «Gefährliche Vorurteile in Kinderbüchern»

München/dpa. - «Die gute Absicht verkehrt sich oftmals ins Gegenteil»,sagte der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz im Gespräch mit derNachrichtenagentur dpa in München. Der Historiker wird am Dienstag(22.2.) in der Internationalen Jugendbuchbibliothek in München einenVortrag zum Thema halten. Benz leitet seit 1990 das Zentrum fürAntisemitismusforschung (ZfA) der Technischen Universität Berlin undhat im vergangenen Jahr das Buch «Vorurteile in der Kinder- undJugendliteratur» herausgegeben.
Die Autoren des Buches stießen in ihren Forschungen auf Vorurteilegegen Minderheiten oder Fremde, gegen Juden, Sinti und Roma undentdeckten in Astrid Lindgrens «Pippi Langstrumpf» gar«Kolonialrassismus und weiße Dominanz». Kinderheldin Pippi sagt zumBeispiel, «dass es im Kongo keinen einzigen Menschen gibt, der dieWahrheit sagt. Sie lügen den ganzen Tag». Im «Taka-Tuka-Land» istPippis Vater als Weißer automatisch König.
«Auch bei Karl May gibt es ein solches Problem», betont Benz. «Diemeisten "Orientalen" werden als entweder etwas dümmer als dieAbendländer oder als schlau und böse dargestellt. Das hat dann dasIslambild von Generationen geprägt.» Ein Zitat als Beispiel: «Woirgendeine Heimtücke, eine Verräterei geplant wird, da ist sicher dieHabichtnase eines Armeniers im Spiel.»
Besonders kritisch beurteilt Benz, der im vergangenen Jahr voneinigen Wissenschaftlern scharf angegriffen wurde, weil er Parallelenzwischen Antisemiten und manchen Islamkritikern zog, Schullektüren.Bücher wie «Damals war es Friedrich» seien oftmals völligunreflektiert im Unterricht eingesetzt worden, obwohl sie Vorurteiletransportierten - wenn auch wahrscheinlich ohne böse Absicht.
«Da werden Minderheiten nett und lieb dargestellt - und dabeiwerden sämtliche Klischees bedient. Die gute Absicht allein reichtnicht», sagt Benz. Einige Bücher seien der «Versuch, kindgerechtNationalsozialismus aufzuarbeiten, aber auf einem uraltenReflexionsstand.» Benz rät Eltern, sich für die Lektüre ihrer Kinderzu interessieren und mit ihnen darüber zu reden.
Ein erfreuliches Ergebnis habe das von ihm herausgegebene Buchaber auch ans Licht gebracht, sagt Benz: «Lesben und Schwule kommenin der Kinder- und Jugendliteratur ganz selbstverständlich vor.Allerdings sind in diesen Fällen die Autoren oft selbst homosexuell.»