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Literatur Literatur: Ein Humorweltmeister, der zuletzt lacht

Von Christian Eger 30.01.2005, 21:25
Ephraim Kishon: «Mein Zynismus ist eigentlich eine realistische Anschauung.» (Foto: dpa)
Ephraim Kishon: «Mein Zynismus ist eigentlich eine realistische Anschauung.» (Foto: dpa) dpa

Halle/MZ. - Name? Kishont! Der Beamte schüttelte den Kopf:Nicht "Kishont", sondern "Kishon", korrigierteer. Vorname? Ferenc! Nein, sagte da der Beamte,nicht Ferenc, sondern Ephraim. Den Namen "Ferenc"gäbe es hier nicht, brummte er auf Jiddischund rief: "Der Nächste!" Das war der Moment,sagt Kishon in seiner Erinnerung "Meine Masseneinwanderung","in dem wir, der Staat Israel und ich, denEntschluß faßten, gemeinsam humoristischeGeschichten zu schreiben."

Ein Mann wie Blaumilch

Der Einwanderer aus Budapest hat es fortangut gemeint mit dem Staat Israel - und dermit ihm. Das darf man bei aller Witzigkeitdieses tapfer eigensinnigen Schriftstellersnicht übersehen: Eigentlich ist er das gewesen,was man seit 1989 hierzulande einen "Staatsdichter"nennt. In und neben seinen Satiren hat sichEphraim Kishon, der dem VernichtungslagerSobibor 1944 nur knapp entronnen ist, stetszu Israel bekannt. Der Satiren-Sammlung "KeinÖl, Moses?" (1991) hängen neun politischeStücke an, die mit den "Weihnachtsgedankeneines Israeli" enden. Engagierte Literatur,die mit der Genauigkeit, Schärfe und Hingabedes gesunden Menschenverstandes verfasst ist.

Die Kishon-Figuren haben in Israel ihren Ort,auch wenn sich dieser literarisch nicht inden Vordergrund schiebt. Freund Jossele zumBeispiel, "die beste Ehefrau von allen", derTheaterkritiker Kunststetter oder der Presslufthammer-NarrKasimir Blaumilch, Held der Satire "Der Blaumilchkanal" -ein Welterfolg für den Auflagen-Millionär.

Ostberlin lässt drucken

Dieser Kasimir gräbt quer durch die Cityvon Tel Aviv einen Kanal hin zum Meer; derbehördliche Wasserkopf ist von der Tatsachederart überfordert, dass er diese zu seinereigenen macht. Blaumilch übrigens ist einamtlich anerkannter Geisteskranker. Kishonist das eine Fußnote zum Text wert gewesen:"Israel dürfte das einzige Land der Welt sein,in das jeder Wahnsinnige einreisen kann. Aberman läßt ihn nie wieder hinaus, damit er demLand keine Schande macht."

Letzteres hatte Israel mit der DDR gemein,die den jüdischen Staat zeitlebens nicht anerkannthat. Dass Kishon, der ein vitaler Antikommunistaus Erfahrung gewesen ist, trotzdem in derDDR verlegt wurde, zeigt das Entwaffnendeseines Erfolges. Bei Volk & Welt erschien1983 "die beste Ehefrau von allen", 1986 "DerBlaumilchkanal". Der "Kanal"-Klappentext istals Autoren-Beschimpfung einmalig: "daß esihm an sozialkritischem Engagement gebricht";"nimmt weder die innerpolitischen Konfliktein Israel zur Kenntnis, die soziale Benachteiligungder orientalischen Juden zum Beispiel"; "nimmtundifferenziert und einseitig Stellung fürdie Politik seiner Regierung, wobei er mitSeitenhieben gegen die sozialistischen Ländernicht immer spart". Zwischen den Zeilen: Kauftmich genau deshalb!

Im Westen avancierte Kishon zu einer Art Gala-Jude,so populär wie Loriot oder Hans Rosenthal."Lieben Sie Kishon?" fragte die ARD 1976 in20Folgen; die "Familiengeschichten" ist dasnach der Bibel meistverkaufte hebräische Buchder Welt. Dabei speist sich Kishons Humoraus dem Widerstehen: gegen falsche Verheißungen,die Trägheit des Herzens, den Literaturbetrieb,der ihn nicht ernst nahm - zu unrecht. Kishon,dessen Prosa der österreichisch-jüdische KollegeFriedrich Torberg (1908-1979) ins Deutscheübertrug, steht in der großen Tradition derWiener feuilletonistischen Literatur der Altenberg,Polgar und Friedell.

Dass es lange Zeit Mode gewesen ist, Kishonzu verachten, hat den Autor bitter gemacht,der bei Tel Aviv, immer öfter aber im SchweizerAppenzell lebte. Kishon litt verstärkt unterder Erinnerung an den Holocaust und darunter,kein junger Mann mehr zu sein. "Ich verlangezumindest noch die Jahre, die Hitler mir weggenommenhat, jene fünf, sechs furchtbaren Jahre",sagte er. Am Sonnabend ist Ephraim Kishonin Appenzell 80-jährig nach einem Herzanfallgestorben.