Literatur Literatur: Christian Meier feiert seinen 75. Geburtstag

Darmstadt/dpa. - Christian Meier wird sein geplantes Buch über Europa auf jeden Fall nicht in neuer Rechtschreibung verfassen. Der Althistoriker und ehemalige Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt hat sich vehement, aber weitgehend wirkungslos gegen dieses Regelwerk gestellt. Inzwischen will er sich von diesem ärgerlichen Thema nicht mehr die Laune verderben lassen, sondern sich angenehmen Dingen des Lebens zuwenden. So feiert er am 16. Februar seinen 75. Geburtstag im bayrischen Hohenschäftlarn.
Der Streit um die Rechtschreibung hat bei Meier tiefe Narben hinterlassen. «Mein Glaube an die Demokratie ist erheblich erschüttert worden», sagt er und findet deutliche Worte: «Ich ärgere mich nicht nur über die schlechte Reform, noch schlimmer ist die Anmaßung unfähiger Minister, über die Sprache bestimmen zu wollen.» Die Sprache habe sich über Jahrhunderte bestens ohne politische Einmischung entwickelt.
Mit seinem politischen Einsatz demonstriert Meier eindruckvoll, dass Althistoriker keineswegs von Gestern sein müssen. Bei seinen Forschungen über das Urmodell der Demokratie in Griechenland ist er zum «Urdemokraten» gereift, der empfindlich auf Übergriffe des Staates reagiert. Er selbst bezeichnet sich als «Homo politicus».
Diese Einstellung ist auch eine Folge seiner Biografie, mit Erfahrungen aus der NS-Zeit und dem geteilten Deutschland. Er kommt in Pommern (Stolp) zur Welt, besucht Schulen in Rostock und Hamburg, studiert dann in Rostock und legt sich dort mit der Einheitspartei SED an. Er flieht nach Heidelberg und setzt seine Studien fort. 1966 wird er Professor in Basel, von wo aus er über Köln und Bochum 1981 nach München kommt. Der Verband der Historiker wählt ihn 1980 bis 1988 zu seinem Vorsitzenden, von 1996 bis 2002 ist er Präsident der Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung.
Mit diesem Hintergrund beschäftigt er sich intensiv mit der deutschen Wiedervereinigung, die ihm Sorgen bereitet. «Wir hätten mit mehr Vernunft und Verstand vieles besser machen können», lautet sein Fazit. Für ihn hat vor allem der Westen versagt. «Hier wurde alles nur unter dem Gesichtspunkt der Kosten gesehen. Wäre das Verständnis füreinander größer gewesen, wäre es sicherlich billiger geworden.» Auch mit der Entwicklung Europas ist Meier nicht glücklich, da in dem großen Gebilde kaum demokratische Strukturen entwickelt worden sind: «Die Einsetzung eines Parlaments und eine Wahl alle paar Jahre reicht nicht aus.»
Im Herbst will Meier sein neues Buch «Die Geschichte Europas in der Antike» vorlegen, das er als Anregung auch für heutige Entwicklungen verstanden wissen will. Der Siedler Verlag München bringt zum Geburtstag seine Standardwerke «Caesar» und «Athen» als Sonderausgabe heraus. «Man kann aus der Geschichte lernen», ist der Historiker überzeugt, «aber nicht, indem man sie einfach fortführt. Wir müssen immer neue Frage an sie stellen.»