Literatur Literatur: Antiquariat führt Nischendasein

Schwerin/Frankfurt/Main/dapd. - Das schmale Haus in einer kleinenSeitengasse der Schweriner Altstadt ist vollgestopft mit Büchern.Sie stehen ordentlich in Regalen, stapeln sich auf dem Boden undTischen, sogar auf der Toilette sind einige Bände eingelagert. «Ichhabe ein gutes Gedächtnis und weiß meistens, wo ein bestimmtes Buchzu finden ist. Nur manchmal vertu ich mich und suche nach einem Buchmit großem grünen Einband, dabei ist es ein kleines blaues», sagtWolfgang Schönemann, Inhaber des Schweriner Antiquariats.
Seit 40 Jahren ist der 61-Jährige Antiquar, doch die Zukunft istungewiss. «Die Kunden sind in den letzten Jahren immer wenigergeworden, das Preisniveau ist gesunken, nur die Grundkosten sindenorm gestiegen», sagt er. Noch habe er zwar sein Auskommen, dochwenn er in ein paar Jahren in den Ruhestand gehe, sei Schluss.«Einem jungen Menschen würde ich nicht empfehlen, hier weiter zumachen. Das Risiko ist einfach zu groß».
So wie Schönemann geht es vielen Antiquaren in Deutschland. Wieviele dieser spezialisierten Buchhandlungen es überhaupt gibt, weißniemand so genau. «Irgendetwas zwischen 300 und 2000», sagt BjörnBiester von der Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein desDeutschen Buchhandels. Der Markt sei diffus und extrem fragmentiert,viele betrieben den Handel auch nur als Zubrot. «Es ist höchstenseine Zahl im mittleren dreistelligen Bereich, die auch davon lebenkann», sagt er. Laut einer aktuellen Umfrage sei bei etwa zweiDritteln dieser Antiquariate die Situation eher schlecht.
Zwtl.: Internet galt als Heilsbringer
Das war noch vor wenigen Jahren ganz anders. Das Interneterschien der Branche als der Heilsbringer, das Zauberwort lauteteZVAB - Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher. Die 1996 vondrei Studenten gegründete Online-Plattform gibt professionellenAntiquariaten die Möglichkeit, Kunden aus aller Welt ihre Schätzeanzubieten. Mehr als 4100 Händler aus 27 Ländern bieten nachFirmenangaben derzeit gut 30 Millionen antiquarische Bücher beimZVAB an, auch Wolfgang Schönemann tätigt etwa 50 Prozent seinerVerkäufe über das ZVAB.
Doch die Konkurrenz von Firmen wie Amazon oder Momox wird immerstärker. «Von Amazon liegen uns leider keine Zahlen vor, aber diesind sicher Marktführer bei Ware aus den letzten 30 Jahren», sagtBiester. Momox sei mit seinem Geschäftsmodell ebenfalls sehrerfolgreich. Die Ankaufsplattform nimmt Privatleuten ihre altenBücher ab und verkauft sie selbst weiter. Zu Preisen, die sich keinprofessioneller Händler leisten kann.
Zwtl.: Altes und Seltenes nach wie vor gefragt
Auf lange Sicht müssten sich die Antiquare wohl wieder auf ihrKerngeschäft besinnen, sagt Biester. «Wirklich seltene Bücher mitgeringen Auflagen erzielen nach wie vor hohe Preise bei Sammlern,naturwissenschaftliche Fachliteratur etwa.» Die hoch spezialisiertenHändler mit guten Kontakten könnten sich sicher behaupten, meint er.
Auch Schönemann setzt schon seit jeher auf eine ganz spezielleKundschaft. «Ich suche technische Bücher, Militaria oder auchMedizinisches», sagt er. Mit alter Literatur könne er nichtsanfangen, die sei kaum etwas wert. «Es vergeht kaum ein Tag, an demmir nicht ein alter Fritz Reuter angeboten wird. Aber den haben zuviele und den kauft auch keiner». Für die teilweise vergoldete,ledergebundene Ausgabe einer «Encyclopädie der menschlichenAnatomie» von 1836 kann er dagegen einen mittleren dreistelligenBetrag verlangen.
Es ist ruhig in seinem Laden. Seine Frau hält an der Kasse dieStellung, ein einziger Kunde sieht sich um, ein junger Mann. EineSeltenheit, wie Schönemann bemerkt. «Die jungen Leute kaufen sichein Taschenbuch. Diese Freude am Einband, an Illustrationen, dasgibt es kaum noch», bedauert er. Der Sammler sei nun mal eineaussterbende Spezies.