1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Leipzig: Leipzig: Heimliche Hauptstadt der DDR stets ein Aushängeschild

Leipzig Leipzig: Heimliche Hauptstadt der DDR stets ein Aushängeschild

Von Kai Agthe 26.05.2017, 11:07
So viel Grau konnte auch ein Farbfilm nicht fassen: Klaus Liebich fotografierte in Leipzigs Zentrum um 1965 den „Blick zum Brühl“.
So viel Grau konnte auch ein Farbfilm nicht fassen: Klaus Liebich fotografierte in Leipzigs Zentrum um 1965 den „Blick zum Brühl“. Klaus Liebich

Leipzig - Für die DDR-Offiziellen war Leipzig „das Tor zur Welt“ - und für viele Bürger, die nicht in Berlin lebten, war es die heimliche Hauptstadt jenes Staates, für den das Wohl Berlins in allen Belangen ganz oben stand: von der Versorgung mit Konsumgütern bis hin zur Architektur.

Doch weit mehr als das östliche Berlin war Leipzig dank seiner Messe ein Aushängeschild für die stets um internationales Ansehen ringende DDR und wurde auch städtebaulich so behandelt. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigt die Ausstellung „Plan! Leipzig – Architektur und Städtebau von 1945 bis 1976“ im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.

DDR-Architektur im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig

Selten zu sehende Fotografien und nie gezeigte Architekturzeichnungen von ausgeführten und – nicht minder spannend – von nie realisierten Bauvorhaben geben einen nachhaltigen Eindruck, wie aus der kriegsversehrten Messe- eine sozialistische Großstadt wurde – mit allen teils bis heute erkennbaren Vorzügen und Nachteilen, die die DDR-Architektur ästhetisch hatte.

„Die Quellen sind so zahlreich, wir hätten die ganze ,Arena Leipzig‘ füllen können“, sagt Christoph Kaufmann, der Mitarbeiter des Stadtgeschichtlichen Museums, neben Anett Müller und Peter Leonhardt einer von drei Kuratoren und ein vorzüglicher Kenner der jüngeren Leipziger Architekturgeschichte ist.

Weisheitszahn von DDR-Stararchitekt Hermann Henselmann entworfen 

Überraschend ist die Gestaltung der Ausstellung. Denn obwohl zum überwiegenden Teil „Flachware“, also Fotos und Pläne aller Art gezeigt werden, sind die Objekte - die vor allem das Leipziger Stadtarchiv zur Verfügung stellte - nicht an Wänden zu sehen, sondern auf großen Thementischen. Das ist eine unorthodoxe Präsentation, die freilich ihre Tücken hat: Wie auch das Gästebuch zeigt, haben Rollstuhlfahrer schlechte Karten: Für Besucher mit Handicap sind die Tische einfach zu hoch.

Hoch hinaus wollte man auch in Leipzig zu DDR-Zeiten. Das markanteste Ergebnis ist jenes frühere Universitätshochhaus, das wegen seiner Form „Weisheitszahn“ genannt und ebenso vom DDR-Stararchitekten Hermann Henselmann entworfen wurde wie der Uni-Turm, den man mit wenig Feingefühl ins Zentrum von Jena pflockte.

Was im Zweiten Weltkrieg verschont blieb, das wurde zu DDR-Zeiten auch in Leipzig vielfach zerstört, sei es aus Vernachlässigung oder politischem Kalkül. Die Sprengung der Universitätskirche (Paulinerkirche) und des alten Gewandhauses 1968 bedeuteten schmerzliche Einschnitte in das Leipziger Stadtbild. Richtig ist aber auch, wie Christoph Kaufmann weiß, dass sowohl die Universität als auch das Gewandhaus jeden Widerstand gegen das von der SED geplante Zerstörungswerk vermissen ließen. Beide, Universität wie Gewandhaus, wollten „moderne und funktionale Gebäude“ und waren deshalb bereit, Bestehendes preiszugeben. „In dieser Aufbruchstimmung war kein Raum für Denkmalpflege“, sagt Kaufmann.

Hauptpost Leipzig ist „Ikone der DDR-Archivtektur“

Dennoch wurde in Leipzig auch Architekturgeschichte geschrieben. „Die Hauptpost etwa ist eine Ikone der DDR-Architektur“, so Kaufmann. Und ehe das von einem japanischen Unternehmen projektierte „Hotel Merkur“ (heute „The Westin“) Maßstäbe setzte, war das „Hotel Deutschland“ bereits in den 1960er Jahren eine Herberge des guten Geschmacks. „Es orientierte sich an skandinavischen Vorbildern, auch bei der Innengestaltung“, sagt der Kurator.

Ergänzt wird die Städtebau-Ausstellung von einer Schau, in der Farbaufnahmen von Klaus Liebich (87) erstmals zu sehen sind, die der damalige Dozent für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in den 1960er Jahren von Leipzigs Innenstadt machte. Sie können als wichtige Dokumente aus jener Zeit des Übergangs gelten, in der die sozialistische Architektur Raum griff, die Folgen des Zweiten Weltkrieges im Stadtbild aber noch immer präsent waren.

››„Leipzig: Architektur und Städtebau 1945-1976“ (bis 27.08.) und „Leipziger Stadtansichten - Fotografien von Klaus Liebich“ (bis 30.07.), Stadtgeschichtliches Museum, Di-So 10-18 Uhr (mz)

Berühmtes Wahrzeichen: Leipzigs Doppel-M
Berühmtes Wahrzeichen: Leipzigs Doppel-M
Stadtgeschichtliches Museum