Kunst Kunst: Jörg Immendorff stirbt im Alter von 61 Jahren

Düsseldorf/dpa. - Als Jörg Immendorff am 20. Juli 2004 auf derAnklagebank des Düsseldorfer Landgerichtes mühselig Platz nahm, um sich dem Prozess um seine Kokain-Orgien in einem Nobelhotel zu stellen, war klar: Sein langjähriges Nervenleiden hatte den Maler, der zu den international bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart gehört, schwer gezeichnet. Die tückische Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) hatte zunächst seinen linken «Malerarm» gelähmt und nun nach langem Leiden zum plötzlichen Herzstillstand geführte
Nur noch vom Rollstuhl aus hatte Immendorff seine großeRetrospektive in Augenschein nehmen können, mit der ihn im Winter2005 unter großer Beachtung die Neue Nationalgalerie in Berlin geehrthatte. Die Nerven-Krankheit, zu deren Erforschung der Künstler eineStiftungsprofessur an der Berliner Charité finanzierte, hatte ihnbereits gelähmt. Den hoch renommierten Kaiserring von Goslar mussteAnfang Oktober 2006 die Ehefrau des Künstlers - Oda Jaune-Immendorff- entgegennehmen, da der Künstler nicht reisefähig war.
Geboren 1945 in Bleckede (Niedersachsen), wurde Immendorff in den60er Jahren Student bei Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf.Der junge, maoistisch gesonnene Künstler engagierte sich politischund nannte ein Bild ironisch «Hört auf zu malen!». Kurz darauf wurdeer nach etlichen dadaistischen Aktionen von der Akademie verwiesen,an der er seit 1996 bis zu seiner Beurlaubung wegen des Kokain-Skandals selbst Professor war. Bis 1980 arbeitete Immendorff an einerDüsseldorfer Hauptschule als Kunsterzieher.
Seine bedeutendeste und in Werken zur Gegenwartskunst meistabgebildete Arbeit ist der expressive und von großen Menschenfigurendominierte Bilderzyklus «Café Deutschland», den er im Jahre 1978begonnen hatte. Zentrales Thema des Künstlers war die deutscheTeilung und deren Folgen; in grellen Farben und großen Figurenerscheinen persönliche Visionen der Wiedervereinigung. Seit den 70erJahren arbeitete Immendorff, dessen Bilder die Welt als Bühnedarstellen, eng mit dem Dresdener Dissidenten und Maler A.R. Penckzusammen.
Immendorff wurde Mitbegründer der Malerbewegung der «JungenWilden» und gehörte weiter zum Beuys-Umkreis. In Hamburg undDüsseldorf eröffnete er Szene-Kneipen. Der gefragte Künstler, dersich vor dem Ausbruch der Lähmung auch gern an der Seite seiner 30Jahre jüngeren Frau Oda als schillernder Partylöwe zeigte, gehörtenun zu den bekanntesten Malern im Lande.
Schon lange vor den «erotischen Inszenierungen», wie seinVerteidiger die Orgien mit Prostituierten und Rauschgift beschrieb,beschäftigte der Künstler die Boulevardmedien heftig. Dem bravenBürger diente er durchaus gern als Abziehbild jeglichen Künstler-Klischees, als exaltierter Bohemien zwischen vermuteter Genialitätund wahrer Triebhaftigkeit, zwischen «Spaßgesellschaft» und absehbartragischem Ende.
Immendorff schuf Bühnenbilder für die Salzburger Festspiele undporträtierte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der ihn aufAuslandsreisen mitnahm. Mit seinen letzten Arbeiten tendierte derKünstler zum Surrealismus. Kleine Figuren dominieren die verrätseltenMalereien; sein Maleraffen-Motiv, ein Schimpanse mit Pinsel,ironisiert das eigene Künstlergewerbe. Immendorff lehnte es zuletztab, in seinen Bildern Geschichten darzustellen, denn «was ich sucheist Magie».
Aufsehen erregte 1999 auch eine riesige Eisen-Plastik inBaumgestalt für die sächsische Stadt Riesa aus dem Atelier des«bildhauernden Malers» (Immendorff über Immendorff). Seine erstegroße Retrospektive hatte er erst 1996 im Kunstmuseum Wolfsburg; inden 80er Jahren nahm er teil an der documenta in Kassel.
Immendorff war Träger des mit 250 000 US-Dollar weltweit höchstdotierten Kunstpreises, des Marco-Preises aus Mexiko. DasNationalmuseum in Warschau richtete ihm 1998 als erstem deutschen Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg eine Retrospektive aus. Und gerade nach seinem Sex-Sündenfall von Düsseldorf mehrten sich allerorten größere und kleinere, zumeist wenig wichtige Ausstellungen des Skandal umwitterten Künstlers.