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Komische Oper Berlin Komische Oper Berlin: Applaus und Buhrufe für «Tamerlano»

21.01.2002, 13:10

Berlin/dpa. - Empörte Zuhörer ließen den Beifall in einem Chor lautstarker Buh-Rufe untergehen - ein minutenlanges Schrei- und Klatschduell umAldens Inszenierung nahm ihren Lauf. Auch Berlins RegierenderBürgermeister Klaus Wowereit, der bereits zwei Wochenendpremieren ander Deutschen Oper und der Lindenoper hinter sich hatte, sowie FreundJörn Kubicki beteiligten sich am Publikumsstreit in BerlinsMusiktheater Nummer drei. Alden trotzte den verärgerten Zuschauernund erschien gleich mehrmals mit den gefeierten Solisten auf derBühne.

Die Gemüter erregt hatte Aldens zum Psychodrama gewendeteGeschichte um Vaterliebe, Tod und Verrat des «Messias»-Komponisten.Der Amerikaner, der schon an der Bayerischen Staatsoper München mitBarockwerken für Furore gesorgt hatte, verdichtet die unerwiderteLiebe des Tatarenherrschers Tamerlan (Axel Köhler) zur SultanstochterAsteria (Brigitte Geller) zu einem Kammerspiel mit Anspielungen andie Gegenwart. Das Palastdrama verlegt Alden in einen düsterenBunker, über dem sich der Herrscher in Champagnerlaune amüsiert. Mitder Mischung aus blutigem Ernst und augenzwinkernder Ironie trafAlden offenbar den Nerv des Publikums - bei Befürwortern wie beiGegnern.

Über knapp 240 Minuten spinnt Alden ein feinmaschigesBeziehungsnetz zwischen den verfeindeten Tamerlan und Sultan Bajazet(Peter Bonder), das er dann mit einem Schlag zerreißt, um es imSchlussgesang wieder zu kitten. Alle leiden, nur die Gegenspielerinder Asteria, die listige Irene (Ann Halenberg), triumphiert undbesteigt als Diva in roter Robe den Thron des Tamerlan.

Alden, der seine Karriere an der New Yorker «Met» startete undheute einer der weltweit gefragtesten Opernregisseure ist, lässtseine Gestalten wie Tänzer über die Bühne schreiten, manchmal imZeitlupentempo, dann in hektischer Ergriffenheit, - Stillstand gibtes niemals vor dem in schwarz getauchten Bühnenbild (CharlesEdwards). Die Betriebsamkeit nötigt Sängern und Sängerinnen einestimmliche Verfassung ab, die sie liegend, rollend, auf Knien und inluftiger Höhe unter Beweis stellen müssen.

Die Rollen der beiden Hauptdarsteller hatte Händel Altus-Sängernvorbehalten. Diese höchste Lage bei Männerstimmen, die von sogenannten Kastraten ausgeführt wurde, ist in Berlin mit Axel Köhler(Tamerlan) und dem stimmlich etwas undisponierten Jochen Kowalski alssein Gegenspieler Andronico besetzt. Ungeteilte Begeisterung lösendagegen die beiden Damen aus: Brigitte Geller als zwischen allenFronten zerriebene Asteria und das divenhafte Schlitzohr Irene, dievon Ann Hallenberg souverän und komödiantisch gespielt wird.