Klassiker von Hildegard Knef
Hamburg/dpa. - Es war ein Leben wie auf einer Achterbahn: Als «Sünderin» im gleichnamigen Film zu Beginn der prüden 50er Jahre schlagartig berühmt geworden, erlebte Hildegard Knef zahlreiche Höhen und Tiefen zwischen Berlin und Hollywood, Babelsberg und dem Broadway. Dabei hatte sie mindestens drei Karrieren: als Schauspielerin («Die Mörder sind unter uns»), Chansonsängerin («Eins und eins») und Bestsellerautorin - «Der geschenkte Gaul» verkaufte sich millionenfach in aller Welt.
Ihre filmische Biografie, an der Freunde wie Konstantin Wecker und Udo Jürgens mitwirkten, kam im Herbst 1995 unter dem Titel eines ihrer Chansons heraus: «Für mich soll's rote Rosen regnen». Dass Rosen auch Dornen haben, das hat die Knef nicht zu knapp zu spüren bekommen. Denn sie führte auch ein Leben mit privaten Tiefschlägen - Scheidungen und Krankheit, Krebs und Drogen. Hildegard Knef wurde über 50 Mal operiert. In ihren letzten Lebensjahren häuften sich die mitunter dramatischen Krankenhausaufenthalte. Immer wieder ging es aber auch bergauf. Noch 1998 nahm sie eine Jazz- und Rockplatte auf.
All das hat «Hildchen», wie die älteren Berliner sie immer noch liebevoll nennen, wie besessen aufgeschrieben - Bücher und Lieder, die auf begeisterte Zustimmung und entsetzte Ablehnung stießen. Noch während des Krieges wurde die Knef von der UFA für den Film entdeckt («Fahrt ins Glück», «Unter den Brücken»), 1946 drehte sie mit Wolfgang Staudte den ersten deutschen Nachkriegsfilm «Die Mörder sind unter uns». Victor de Kowa und Boleslaw Barlog holten sie auf die Bühne am Kurfürstendamm und ans Berliner Schloßparktheater. Es folgte der «deutsche Sündenfall», als Willi Forst die Knef 1951 für den Film «Die Sünderin» engagierte, in dem sie sekundenlang nackt in einer Hängematte zu sehen war. «Das war der Donnerschlag in der Heimat», erinnerte sich die Schauspielerin in einem dpa-Gespräch.
Ihre Freundin Marlene Dietrich hatte ihr zugeredet: «Wenn du das spielst, bist du wieder drin im Geschäft.» Die Dietrich sollte Recht behalten, auch wenn zunächst ein hoher Preis zu zahlen war. «Mein Gott, war das eine Aufregung, das war nicht zu fassen. Ich konnte in kein Restaurant gehen, ohne dass eine Frau brüllte: Fritz, wir gehen! Pfui Teufel, die deutsche Frau entkleidet sich nicht vor Millionen Menschen. Nur die jungen Menschen fanden das toll. Und das alles nach dem, was vorher in unserem Land passiert war. Da hatte man nun etwas, wo man seine übrig gebliebenen Zähne reinhacken konnte.»
Cole Porter sah das Talent der Schauspielerin und holte die Knef an den Broadway, wo sie in dem Ninotschka-Musical «Seidenstrümpfe» einen der größten Triumphe ihres Lebens feierte - 675 ausverkaufte Vorstellungen von 1954 bis 1956. Später ging sie in den 80er Jahren von Berlin aus noch einmal für längere Zeit mit ihrer Tochter und ihrem Mann nach Amerika, Mitte der 90er Jahre kehrte sie wieder an die Spree zurück. «Das ist wie ein Magnetfeld, das mich immer wieder in die Kindheit und Jugend zurückführt», meinte die in Ulm geborene, aber in Berlin aufgewachsene Schauspielerin.
In den 60er Jahren feiert sie als «der Welt größte Sängerin ohne Stimme» (Ella Fitzgerald) Platten- und Tournee-Triumphe. «Für mich soll's rote Rosen regnen», «Aber schön war es doch» oder «Ich möcht am Montag mal Sonntag haben» wurden unsterbliche Klassiker, die alle auf der CD «Hilde - Das Beste von Hildegard Knef» versammelt sind, die mit dem bisher unveröffentlichten Liebeslied «Papillon» endet.
Ihr nächster sensationeller Erfolg war literarischer Natur - der 1970 erschienene autobiografische Bericht «Der geschenkte Gaul» wurde allein in deutscher Sprache millionenfach verkauft und in 17 Sprachen übersetzt.
Die Knef dachte nicht ans Aufhören. 1992 war ihre rauchige Stimme neben Rock-Klängen zu hören - mit der Gruppe Extrabreit ließ sie wieder wochenlang in den Hitparaden «rote Rosen» regnen. 1995 spielte sie mit der Münchner Band Engel wider Willen Popmusik ein. Zusammen mit Harold Faltermeyer machte Knef aus dem «Geschenkten Gaul» ein Musical. Im Oktober 1996 wurde sie mit dem Marlene-Preis für Bühnenunterhaltung ausgezeichnet. Das Filmmuseum Potsdam würdigte das Lebenswerk der Schauspielerin im Dezember 1996 mit einer großen Ausstellung.
Die Faszination der 2002 an den Folgen einer Lungenkrankheit gestorbenen Knef für so viele Generationen erklärt sich Heike Makatsch so: «Sie war schön, sie war irgendwie frontal, sie war präsent, hatte ein gutes Körperselbstbewusstsein, eine Sinnlichkeit, eine Laszivität.»
Von Makatschs schauspielerischer Leistung war Knefs Tochter Christina Antonia Gardiner (40) jedenfalls begeistert: «Es ist zu sehen, wie hart sie daran gearbeitet hat, sich in die Person meiner Mutter einzufühlen. Sie war ja keine einfache Persönlichkeit», sagte Gardiner der Zeitschrift «Bunte».