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Kinostart: 30. Oktober Kinostart: 30. Oktober: «Let's Make Money»

Von Johannes von der Gathen 23.10.2008, 07:36
Eine Straßenszene aus «Let´s Make Money». Durch die aktuelle Finanzkrise ist der informative und aufrüttelnde Dokumentarfilm aktueller denn je. Er zeigt, wie die internationale Geldwirtschaft auf ihren verschiedenen Ebenen funktioniert und wie die Gier nach Geld Ungerechtigkeiten erzeugt. (Foto: dpa)
Eine Straßenszene aus «Let´s Make Money». Durch die aktuelle Finanzkrise ist der informative und aufrüttelnde Dokumentarfilm aktueller denn je. Er zeigt, wie die internationale Geldwirtschaft auf ihren verschiedenen Ebenen funktioniert und wie die Gier nach Geld Ungerechtigkeiten erzeugt. (Foto: dpa) delphi Film

Hamburg/dpa. - Der österreichische Dokumentarist Erwin Wagenhofer, der vor dreiJahren mit «We Feed the World» den Irrsinn unsererNahrungsmittelproduktion entlarvte und damit über 400 000 Zuschauerallein in Deutschland in die Kinos lockte, verfolgt in seinem neuen,sehenswerten Film die Wege des Geldes über den Globus. Dabei kommt erweitgehend ohne eigenen Kommentar aus und lässt stattdessen seineBilder und Protagonisten sprechen.

Zum Beispiel den Investmentbanker Mark Mobius, Präsident vonTempleton Emerging Markets, der in Singapur einen Fonds von geschätzt50 Milliarden Dollar verwaltet. Der kahlköpfige Stratege lehnt jedeVerantwortung für die Folgen seiner Investitionen ab. Es gehe einzigdarum, das Geld der Kunden zu vermehren. Mobius spricht nicht mehrvon Dritter Welt oder unterentwickelten Ländern, sondern von«Emerging Markets» (Wachstumsmärkten) und freut sich diebisch überdiese zynische Beschönigung, die die triste Realität so elegantverschleiert.

Zum Beispiel in der indischen Millionenstadt Stadt Chennai, demfrüheren Madras, wo ein Drittel der Bevölkerung in Slums lebt und dieFlüsse längst zu stinkenden Kloaken verkommen sind. An den Uferndieser Abwasserkanäle stehen riesige Werbeplakate mit denVersprechungen der global agierenden Banken, ein grotesker Kontrast.Eine indische Wirtschaftswissenschaftlerin legt den Zusammenhang vonPrivatisierungspolitik und der Verarmung großer Teile der Bevölkerungin dem Schwellenland offen. Ein 12-jähriger Junge erklärt, dass erspäter Rechtsanwalt werden will, um gegen die Korruption zu kämpfen.

Das Elend fällt nicht vom Himmel. Auch nicht in Burkina Faso, demviertärmsten Land der Welt. Durch die Monokultur sind die Bödenweitgehend zerstört, aber die eigentlich hochwertige, von Handgepflückte Baumwolle bringt dem Land auf dem Weltmarkt kaum nochEinnahmen, weil gleichzeitig die USA ihre eigenen Baumwollproduzentenmit drei Milliarden Dollar jährlich subventionieren. «Sie selbstmachen Protektionismus und verlangen von uns Liberalismus»,bilanziert der Agronom Yves Delsile bitter. Es reicht einfach nicht:Die Lebenserwartung in Burkina Faso beträgt 42 Jahre. Über den Köpfender im Steinbruch schuftenden Frauen kreisen die Geier. «Let's MakeMoney» ist viel mehr als der Film zur aktuellen Krise, er zeigt eineKatastrophe in Permanenz.

Wagenhofer beleuchtet die fortwährende Ausbeutung der DrittenWelt, aber er richtet den Fokus auch auf Europa. Durch dieneoliberale Politik der Privatisierung verschwinden immer mehr Werte,die früher der Allgemeinheit gehörten. Der Verkauf der WienerStraßenbahn an amerikanische Investoren in Form eines «Cross-Border-Leasings» ist nur ein kurioses Beispiel für eine Finanzspekulation,von der die Bewohner Wiens lediglich die Risiken und Kosten tragenmüssen. Die Durchschnittseinkommen in Europa stagnieren, während ineiner Steueroase wie Jersey geschätzte 500 Milliarden DollarPrivatvermögen lagern.

Am Ende zieht Hermann Scheer, Bundestagsabgeordneter und Trägerdes Alternativen Nobelpreises, eine pessimistische Bilanz: Wenn wirden Primat des Geldes nicht brechen, beginnt bald ein neues Zeitalterder Barbarei. In diesem Film kann man die Menetekel schonbesichtigen.