Kinostart 28. Januar Kinostart 28. Januar: «Sherlock Holmes»
London/dpa. - Schon lange bevor der neue «Sherlock Holmes»gedreht war, legten Traditionalisten die Stirn in Sorgenfalten:Holmes sollte keine klassische Karo-Mütze tragen. Er sollte auchnicht denkend an einer Meerschaum-Calabash-Pfeife saugen undangestrengt durch eine Lupe linsen. Noch viel schlimmer: Einen dertypischsten britischen Charaktere sollte mit Robert Downey Junior einAmerikaner spielen. Und der Regisseur, Guy Ritchie? Das war doch der,von dem zuletzt vor allem in Verrissen oder in Klatschspalten wegenseiner Scheidung von Madonna zu lesen war.
Dass es gerade seine Absicht war, keine traditionelle Verfilmungdes Detektiv-Klassikers abzuliefern, macht Ritchie schon in derersten Szene klar. Statt über einem Fall zu brüten, schwingt derMeisterdetektiv der Moderne die Fäuste und schlägt seine Gegnerblutig. Und zu seinem treuen Begleiter Dr. Watson - gespielt vomSchönling Jude Law - pflegt Holmes geradezu eine homoerotischeBeziehung. «Wir mussten Sherlock Holmes entstauben», erklärteRitchie, der mit Filmen wie «Bube, Dame, König, grAs» oder «Snatch»bekanntwurde.
Herausgekommen ist ein action-geladenes Spektakel im Stil vonJames Bond, bei dem es weniger um die eigentliche Geschichte als umdie Verpackung geht. Dieses Mal rettet Holmes die Welt vor dendunklen Mächten des Bösewichts Lord Blackwood (wunderbar gespielt vonMark Strong). Verschwörungen, Okkultismus und Wiederauferstehungkommen dabei nicht zu kurz - eine Anspielung auf den britischenHolmes-Autor Arthur Conan Doyle, der sich in seinen spätenLebensjahren mehr und mehr dem Spiritualismus zuwandte.
Vor allem Downey in der Rolle als Super-Spürnase ist brillant.Dafür erntete der 44-Jährige auch einen Golden Globe. Downey spieltnicht den intellektuellen Denker, sondern einen leicht depressivenExzentriker mit Hang zum Bohème-Leben. Wenn Holmes nicht geradeverlottert wie ein Künstler tagelang in seiner Wohnung liegt und mitirrem Blick an seiner Geige zupft, steigt er gestählt wie Rocky inden Boxring und verdrischt seine Gegner. «Wir haben versucht, Holmesdahin zurückzubringen, was wir für seine Wurzeln halten. Er ist eineFigur, die viel mehr aus dem Bauch heraus handelt», erklärt Ritchie.Entstanden ist ein «Rolling Stone des Viktorianischen Zeitalters».
Freilich rettet dieser «Rolling Stone» in letzter Minute bei einemShowdown auf der Tower Bridge eine Frau vor dem Abgrund, schließlichmuss in jedem Actionfilm auch ein bisschen Liebe mitschwingen. DieseRolle kommt Irene Adler zu (gespielt von Rachel McAdams), die sichwie Holmes immer am Rande des Gesetzes bewegt und die dem Detektivdaher auch den Kopf verdreht hat.
Neben Holmes hat auch Watson ein Erneuerung durchgemacht. ImGegensatz zu anderen Interpretationen ist er nicht der etwasdümmliche Helfer. Er ist ein ebenso harter Kerl, der zwar nicht ganzso schlau, dafür aber disziplinierter als Holmes ist. Auch er sollte«ein bisschen was von einem Helden» haben und vor allem auch «gutaussehen», so Ritchie. Neben Downey, der schon in der Charlie-Chaplin-Biografie «Chaplin» brillierte, wirkt Law jedoch etwas blass.
Der Film schafft es, das fotografische Gedächtnis und dieKombinationsfähigkeit von Sherlock Holmes darzustellen. Der Detektiverfasst jedes Detail. Die Bilder dazu sind blitzschnell geschnittenund gehen dann wieder in Zeitlupe über. Vergangenes überlagert sichmit Künftigem. Unterstützt wird das Tempo von der Musik des deutschenBlockbuster-Komponisten Hans Zimmer. «Ich wollte eine Mischung ausKurt Weill, The Pogues und einer verrückten Zigeuner-Band ausRumänien», sagt Zimmer über seinen Soundtrack.
Auch wenn Nostalgiker ihren Holmes nicht mehr wiedererkennenmögen: Die Aufnahmen von einem alten London mit dunklen Gassen,Schlachthäusern und Schiffswerften sind beeindruckend. Auch dieKostüme passen perfekt ins Bild, selbst wenn Holmes' berüchtigteDeerstalker-Mütze fehlt. Diese stammt sowieso nicht aus Conan DoylesFeder, sondern kam erst später in Illustrationen der Geschichtendazu.
Und mit den Action-Szenen zieht die unkonventionelle Neuverfilmungwohl eine neue Generation von Holmes-Fans heran. In den USA landeteder Film in den Hit-Listen immerhin auf dem zweiten Platz. Und selbstin Holmes' Heimatland Großbritannien fielen die Kritiken nicht allzuschlecht aus. Eine Fortsetzung des neuen «Sherlock Holmes» dürftedaher nur eine Frage der Zeit sein.