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Kinostart: 17. November Kinostart: 17. November: «Durch diese Nacht»

Von Claudia Steiner 11.11.2005, 21:35
Corinna Harfouch als tschechische Schriftstellerin Bozena Nemcova in einer Szene aus dem Film «Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern». (Foto: dpa)
Corinna Harfouch als tschechische Schriftstellerin Bozena Nemcova in einer Szene aus dem Film «Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern». (Foto: dpa) Movienet

München/dpa. - Doch sie ringt mit den Worten. «Es muss schönerwerden», sagt sie immer wieder und greift erneut zu Feder und Tinte.Drei Mal fängt sie den Brief an. Schließlich stirbt sie 1862, ohneihn zu vollenden.

Die Briefe waren die letzten Zeilen der Schriftstellerin, diedurch ihren Roman «Großmutter» bekannt geworden ist. Sie sind 1920unvollständig, 1995 erstmals vollständig unter dem Titel «Durch dieseNacht sehe ich keinen einzigen Stern» veröffentlicht worden.

Der Film von Drehbuchautorin und Regisseurin Dagmar Knöpfel istkeine Biografie, sondern ein Film über das Schreiben. CorinnaHarfouch spielt überzeugend die lebenslustige Autorin, die vor denAugen ihres Ehemannes mit Verehrern flirtet und tanzt, in der PragerSzene ausgiebig feiert, laut lacht und raucht - skandalös für eineFrau im 19. Jahrhundert.

Ihr Ehemann (Boleslav Polívka, einer der bekanntesten Schauspielerin Tschechien) wünscht sich aber keine erfolgreiche Autorin, sonderneine gute Hausfrau als Gattin. Doch dieses Leben ist Boena Nemcovázuwider: «Im Haushalt bin ich nur eine seelenlose Maschine. Ich mussschreiben...». Nemcovás geliebter Sohn stirbt, das Verhältnis zuihrem Mann verschlechtert sich, sie und ihre Kinder hungern, eineKrankheit schwächt sie, schließlich flieht sie vor ihremgewalttätigen Mann.

Der Film ist keine leichte Kost. Er gibt den Zuschauern fast zweiStunden lang ergreifende Einblicke in das Leben einer mutigen Frau,die ihrer Zeit voraus war. Vor dem Film brachte Dagmar Knöpfel denDrehbuchtext bereits auf die Bühne. Das Stück wurde im Herbst 2000 imStadttheater Heilbronn uraufgeführt. Das zuvor noch so ausgelassenePublikum saß nach der Aufführung bedrückt und schockiert in denSesseln - ebenso wie nun die Kinobesucher.

Die letzten Tage verbringt die Schriftstellerin hungrig,geschwächt und fiebrig in einer kargen Kammer. Beim Schreiben an denFreund kommen Erinnerungen zurück: An ihre Kindheit und dieGroßmutter, ihre Kinder, ihre Liebhaber, ihre Kämpfe mit dem hartenEhemann, ihre Träume, Wünsche und Sehnsüchte. Eine Karriere alsSchriftstellerin, Familie, Kinder, leidenschaftliche Liebe - für das19. Jahrhundert waren das zu viele Wünsche für eine Frau.

«Es muss schöner werden», wiederholt die dem Tod Geweihte undkämpft auch dann noch um die richtigen Worte, als sie vonBauchkrämpfen geschüttelt wird. Es scheint, als hätte Boena Nemcovánicht nur nach schöneren Worten gesucht, sondern auch nach einemschöneren Leben. Bei ihrer eigenen Beerdigung spricht die Autorin ausdem Off und wünscht sich, sie hätte 200 Jahre später gelebt.