Jubiläum Jubiläum: Ostdeutscher Autor Günther Rücker wird 80
Berlin/dpa. - Günther Rückers Talent lässt sich nicht auf einen Punkt fixieren. Die Neugier, im Leben des Nachbarn oder Bekannten das Besondere zu entdecken, trieb ihn stets um. Kritiker sahen darin die eigentliche Gabe des ostdeutschen Autors und Regisseurs, der am kommenden Montag (2. Februar) seinen 80. Geburtstag feiert.
Um den «Meister der Sprache in der Literatur und im Film», so ein Lob aus DDR-Zeiten, wurde es nach der Wende still. Nach beinahe fünf Jahrzehnten Ortsansässigkeit in Berlin fühlt er sich nach einem Schlaganfall im ruhigen Meiningen in Thüringen in der Nähe der Tochter heute besser aufgehoben. Seit drei Jahren lebt er dort. «Berlin ist für mich eine fremde Stadt geworden», sagte er jetzt der dpa.
Als sein letztes Buch erschien 1992 «Otto Blomow. Geschichte eines Untermieters». Held des «Oblomow»-Romans ist ein junger Kriegsheimkehrer und Flieger, der sich in der Nachkriegszeit im Osten als Nachtwächter, Radiosprecher und Kreuzworträtsel-Bastler durchschlägt. Beim Film «Olympischer Sommer» griff Regisseur Gordian Maugg zwei Jahre später noch einmal auf eine schon früher entstandene Rücker-Novelle («Der Geselle») zurück. Für den unpolitischen jungen Fleischergesellen wird der Fahrradausflug nach Berlin zu den Olympischen Spielen 1936 zum Verhängnis. Unverschuldet gerät er in die Fänge der Nazi-Diktatur und landet im Gefängnis.
Bei der Stoffwahl hat sich Rücker nie festgelegt. Mal ist er der Gegenwart auf der Spur, dann wieder fesselt er mit Geschichte. Als seine ersten Prosaarbeiten erschienen, war er bereits 60 Jahre. Sie fanden im Osten schnell ein lesebegeistertes Publikum, zumal man Rücker durch zahlreiche Hörspiele kannte. In seinen oft komisch- spöttischen Texten findet sich viel autobiografisch Erlebtes. DDR- Zeitungen rückten den Autor, der aus «Geschichte bewegende Geschichten» machte, sogar in die Nähe eines Joseph Roth, Gottfried Keller oder einer Anna Seghers.
Zu seinen beeindruckendsten Filmarbeiten gehörte der Defa-Streifen «Die Verlobte» über eine junge Kommunistin, die dem Nazi-Terror im Zuchthaus widersteht. Für den Film nach der Romanvorlage «Haus der schweren Tore» von Eva Lippold arbeitete er mit Regisseur Günter Reisch zusammen. Beide hatten schon Rückers Film-Erstling, die Defa- Komödie «Junges Gemüse» (1956), auf die Leinwand gebracht. Regisseur Egon Günther griff bei «Der Dritte» auf ein Skript von Rücker zurück, Heiner Carow drehte mit ihm den Gegenwartsstreifen «Bis daß der Tod euch scheidet». «Hilde, das Dienstmädchen» war 1986 der letzte von insgesamt acht Defa-Streifen aus seiner Feder.
Rücker wurde am 2. Februar 1924 in Reichenberg (Liberec) im heutigen Tschechien geboren. Nach Kriegsende verschlug es ihn nach Leipzig. Nach einem Regiestudium kam er Anfang der 50er Jahre nach Berlin.