Jubiläum Jubiläum: Michael Gwisdek wird 65 Jahre alt

Berlin/dpa. - Gwisdek kam alsSohn eines Wirtspaares im nordöstlichen Berliner Stadtteil Weißenseezur Welt. In einem Interview erzählte er einmal schmunzelnd: «Dieerste Rolle, die ich perfekt beherrschte, war die des Zapfers.»
Auf Wunsch der Eltern erlernte er einen «anständigen Beruf», dendes Gebrauchswerbers. Doch seit seinem 16. Lebensjahr stand für denbegeisterten Kinogänger fest: «Ich werde Filmschauspieler derVorsatz war unumstößlich. Theater kannte ich bis dahin nur vonaußen.» Doch am Theater machte Gwisdek nach Arbeiten unter anderemals Klubhausleiter und Fabrikarbeiter sowie der Ausbildung an derStaatlichen Schauspielschule Berlin ab 1968 seine erste großeKarriere.
Noch heute in Chemnitz, damals Karl-Marx-Stadt, legendär ist seineurkomische, hintergründige Interpretation des Pantalone in Goldonis«Diener zweier Herren». Nach sechs Jahren am Städtischen TheaterKarl-Marx-Stadt erregte er die Aufmerksamkeit von Regisseur BennoBesson, der den charismatischen Charmeur daraufhin 1973 an dieVolksbühne Berlin holte. Zehn Jahre später wechselte er ins Ensembledes Deutschen Theater Berlin, dem er bis 1991 angehörte.
Innerhalb kürzester Zeit avancierte er zu einem der beliebtestenBühnenstars in Ost-Berlin. Ob klassisch oder modern, Gwisdekfaszinierte immer wieder durch eine ausgewogene Balance von Ironieund Ernsthaftigkeit, Intelligenz und Gefühl. Nur wenigendeutschsprachigen Schauspielern seiner Generation ist es gegeben,beim Zuschauer in Sekundenschnelle zugleich das Herz zu öffnen undden Geist anzuregen.
Diese außergewöhnliche Gabe prägt auch seine bis heute fast 100Auftritte in Kino- und Fernsehfilmen. Ob in einer großen Rolle wieder des Nazi-Verräters in dem von der DDR-Zensur stark behindertenDefa-Spielfilm «Dein unbekannter Bruder» (1982), der kleinen Rolleeines Kellners in «Coming Out» (1989) oder einem Auftritt in «Goodbye, Lenin!» - Gwisdeks Aura der unverwechselbarenPersönlichkeit, dabei meist am Rande der Existenz schwankend, iststets unvergesslich. Zu recht schwärmte eine Kritikerin einmal: «Manvergisst sie nicht, die Figuren, die er darstellt; nicht, wie siegehen, nicht, wie sie schweigen.»
Schönster offizieller Lohn bisher war sicherlich 1998 bei denInternationalen Filmfestspielen Berlin die Auszeichnung mit demSilbernen Bär als Bester Darsteller für seine Leistung in«Nachtgestalten» von Andreas Dresen. Zuletzt war er im Vorjahr,wieder mit einer fein ziselierten kleinen Charakterstudie, in«Elementarteilchen» von Oskar Roehler im Kino zu sehen.
Seinen ersten Film in eigener Inszenierung brachte er 1988 mit demHistoriendrama «Treffen in Travers» auf die Leinwand - einstilistisch effektvolles Debüt, schauspielerisch brillant undpolitisch klug den Alltag in der sich spürbar in Agonie und Zerfallbefindenden DDR schildernd. Klassisches Erzählkino,Gesellschaftskritik und psychologisch beeindruckende Figurenzeichnungprägen auch die folgenden von ihm als Regisseur und in jedem Fallzumindest Mitautor realisierten Kinospielfilme, beispielsweise «DerMambospieler» (1998).
Ein Traum hat sich für Gwisdek bis heute nicht erfüllt: «Ich willnach Hollywood», sagte er einmal kess. Das hat noch nicht geklappt.Ein anderer Traum jedoch ohne Wenn und Aber: Er hat es konsequentgeschafft, seinem vor Jahren folgendermaßen formulierten Anspruch ansich selbst treu zu bleiben: «Ob albern oder tragisch, in einerKomödie oder einem Drama, ob in der Hauptrolle oder mit einemKurzauftritt, als Schauspieler, Autor und Regisseur möchte ich immeretwas zu sagen haben, möchte das Publikum, und sei es nur minimal,auf Bedenkens- und Nachdenkenswertes in unserer Gegenwart stoßen.»