Jonathan Hull Jonathan Hull: «In der Ferne die Normandie»
Hamburg/dpa. - Es lohnt sich, Jonathan Hull zu entdecken. DieGeschichten des kalifornischen Romanciers sind lebensnah, gutausgedacht und spannend geschrieben. Vor allem aber versteht es derehemalige Auslandskorrespondent, sich in seine Figuren hinein zuversetzen. Gezeigt hat er das mit seinem Debüt auf dem deutschenMarkt, «Damals, die Liebe», endgültig bewiesen hat er es mit seinemneuen Buch «In der Ferne die Normandie». Beide Werke handeln von denunbewältigten Erinnerungen eines alten Mannes an seine Soldatenzeitim Zweiten Weltkrieg.
«In der Ferne die Normandie» könnte man als die Geschichte derAnnäherung zwischen einem unglücklichen 16-Jährigen und seinemverbitterten Großvater bezeichnen. Andrew ist gerade von der Schulegeflogen, als ihn seine überforderte Mutter beim Großvater absetzt.Niemand ist von diesem Arrangement begeistert, ganz bestimmt auchnicht Mead, der durch den Besuch des Enkels aus seiner Trauer um diegeliebte Frau gerissen wird. Beide haben sich nichts zu sagen, beidebeharren verstockt in ihrer inneren Welt, vermögen es nicht, demanderen von den Verletzungen zu erzählen, die ihr Leben vergiftet.Der Enkel hat seinen besten Freund durch Selbstmord verloren undmacht sich heftige Vorwürfe, der Großvater quält sich mit seinentraumatischen Erlebnissen als Soldat in Frankreich und kommt nichtüber den Verlust seiner Frau hinweg.
Als die Situation eskaliert, beschließt Mead, mit seinem Enkelkurzerhand nach Europa zu fliegen, um noch einmal die Schauplätze derEreignisse zu sehen, die sein ganzes Leben geprägt haben. Dort in derNormandie endlich gelingt es ihm, zu seiner Schuld zu stehen. UndAndrew öffnet sich dem alten Mann, erzählt schließlich von Matt,seinem toten Freund, und seinem Kummer.
Der klassische Aufbau des Romans bis hin zur Katharsis am Endewirkt alles andere als altbacken. Hull versetzt sich perfekt in dieerstarrten Denkstrukturen des alten, enttäuschten Mannes und gibtseinem Protagonisten Andrew die authentische Stimme der Jugend. Dasmacht das Buch zu einem außergewöhnlichen Lesevergnügen. Daran kannauch der Eindruck nichts ändern, dass Hull die Fäden der Liebe allzugrob in seinen Roman hinein gestrickt hat. Nur in diesen Passagenerliegt Hull sentimentalen Versuchungen. Ansonsten wirkt dieGeschichte frisch, lebensnah, und sie erlaubt auch noch einen Blickzurück in das düstere Kapitel Krieg.
Jonathan Hull: In der Ferne die Normandie, Hoffmann und Campe, Hamburg, 431 S., Euro 22,90, ISBN 3-455-03586-8