Jahrestag der Bücherverbrennung Jahrestag der Bücherverbrennung: «Das war ein Vorspiel nur»
Halle/MZ. - Es gibt diesen einen, bei mahnenden Anlässen gern zitierten Heine-Satz: "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen". Heine, damals 23, notierte diesen Satz 1821 in seinem Trauerspiel "Almansor". Doch bei Lichte - und vor allem im Nachlicht der jüngsten Geschichte betrachtet - springt dieser Satz zu kurz.
Nicht "auch" und "am Ende" verbrennt man die Menschen, sondern man verbrennt sie bereits mit ihren Büchern. Das ist von der Antike an der Sinn einer jeden Bücherverbrennung: Man wirft das Buch ins Feuer und meint dessen Autor. Der Theologe Jan Hus starb 1415 auf dem Scheiterhaufen seiner Werke; der Philosoph Giordano Bruno wurde 1600 verbrannt - in der Hand eines seiner Bücher.
Natürlich war von Heines Wort die Rede, als die Universität Halle am Montagnachmittag der Bücherverbrennung auf dem eigenen Campus vor 70Jahren gedachte; Kästners Augenzeugenbericht fand Erwähnung, der Verweis auf das Bücherfeuer beim Wartburgfest 1817, alles fand seinen gewohnten Platz.
Es war Bürgermeisterin Dagmar Szabados, die bei ihrer kurzen Ansprache, das Terrain der gesicherten Haltungen verließ. Sie schlug den Bogen vom NS-Kulturterror hin zu den Repressionen des DDR-Systems, sprach davon, dass die Zensur so tief gegriffen habe, dass Bücher gar nicht erst entstanden, die hätten entstehen müssen.
Man spürte, wie wenig selbstverständlich es heute wieder ist, solche Reflexionslinien zu schlagen. Der Osten will nicht dauernd über sich selbst unterrichtet werden, schon gar nicht will man sich gegenseitig weh tun; Erschöpfung macht sich breit, man wähnt sich für damals und heute in ein und demselben kollektiven Boot - aber da waren und sind viele Boote unterwegs, nur das Meer (um das Bild zu wahren) bleibt dasselbe.
Wolfgang Benz, Chef des Berliner Institutes für Antisemitismusforschung, hielt unter dem Titel "Der Kulturskandal: Mythos, Tradition und Wirkung der Bücherverbrennung", was man einen Festvortrag nennt: bücherfest, überraschungsarm, reich im regionalen Detail, geizig in der Inspiration. Das mag seine Ursache darin finden, dass das berufliche Interesse eines Antisemitismus-Forschers sich nicht allein auf das "Dritte Reich" und schon gar nicht auf die Opfergruppe der Intellektuellen fokussiert.
Benz warnte denn auch vor einer Wahrnehmungs-Fixierung auf die Dichteropfer, die ja oft noch hätten entkommen können; allein bei einer Rede, die sich genau jenen Opfern widmet, zeigt diese Warnung wenig Takt. Mit einer kleinen Reflexion schloss Benz die Rede: Auch die Ost-Regale hätten 1990 nicht auf Weisung geleert werden sollen. Nur, welche Weisungen? Welche Regale? Welche Bücher sind unwiederbringlich verschwunden? Ein Gratis-Dreinrede wie so oft, wenn sich westdeutsche Erfahrungsfreiheit in Sachen DDR mit einem trotzdem unbremsbaren Sendungsbewusstsein vereinen.
Auf dem Campus indes lasen sich Studenten die Werke "verbrannter" Dichter vor, es hätten freilich auch jene Gegenwartsautoren sein können, die jeweils und immer wieder neu politischen Verdächtigungen ausgesetzt sind. Zur Lektüre hatte auch Peter Sodann in den Lesesaal des neuen theaters geladen, nicht zuletzt deshalb, um ein paar Erklärworte dafür zu finden, warum der einst als Redner annoncierte hallesche Literaturwissenschaftler Rüdiger Bernhardt, der als IM "Faust" die DDR-Literaturszene beobachtete, nicht ins Licht tritt. Die Veranstaltung fiel aus. Warum? Ein "wichtiger Termin".