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Irina Korschunows protokolliert gescheiterte Ehe

Von Susanna Gilbert-Sättele 04.05.2009, 11:50

Hamburg/dpa. - Das, was jeder täglich in der Nachbarschaft erleben könnte, wenn er nur wollte, hält Irina Korschunow dem Leser ihres neuen Romans «Langsamer Abschied» vor Augen.

Die Abhängigkeit in der Ehe, Angst um den Partner und Schuldgefühle, wenn die Last der Verantwortung für den anderen einen Menschen zu Boden drückt. Korschunow erzählt die Geschichte einer gescheiterten Ehe, die dennoch hält, ja halten muss, weil der Mann als Schwerstpflegefall dahinsiecht.

Unspektakulär, nahezu teilnahmslos berichtet die Frau von den verliebten Anfängen der Beziehung, den ersten Irritationen zwischen den Eheleuten, die in tiefe Konflikte münden und schließlich die Ehe zerstören. Doch gerade in der Trennungsphase geschieht ein verhängnisvoller Unfall, der die Frau an das Krankenbett ihres Mannes fesselt - «bis dass der Tod Euch scheidet».

Nora, eine durch ihre TV-Sendung bekannte Kunsthistorikerin, und der Physikprofessor Pierre haben weder finanzielle Sorgen noch können sie sich über einen Mangel an Kontakten beklagen. Dennoch: Nachdem das Verliebtsein der ersten Jahre der Vergangenheit angehört, macht sich in ihrem komfortablen Leben Eintönigkeit wie ein unliebsamer Gast breit. Im Bestreben, den leeren Raum zwischen sich zu überwinden, wird der Wunsch nach einem Kind zur fixen Idee. Die beiden richten ein Kinderzimmer ein, schleppen Spielzeug heran und nennen das Ungeborene, das noch nicht einmal gezeugt ist, schon einmal vorsorglich beim Namen.

Als ob Nora nicht genug damit zu tun hat, die eigene Unfruchtbarkeit hinzunehmen, erfährt sie auch noch, dass Pierre aus einer flüchtigen Affäre bereits eine Tochter hat, die er seit Jahren heimlich besucht. Zermürbende Streitereien und immer unglaubwürdigere Versöhnungen sind die Folge. Nach einer längeren Trennung kommt das Paar noch einmal für eine Nacht zusammen, bis Pierre am nächsten Morgen die definitive Trennung verkündet, ins Auto steigt und verunglückt.

Seither vegetiert er im Koma dahin, und Nora opfert sich in Fürsorge für ihn auf, bis der Alltag nach und nach seinen Tribut von ihr fordert und sie sich allmählich wieder auf sich zu besinnen beginnt. Schließlich passiert das, was die Erzählerin genauso gefürchtet wie herbeigesehnt hat: Pierre stirbt. Sein Tod ist jedoch - zunächst wenigstens - keine Befreiung für Nora, sondern er zementiert ihre Schuldgefühle tief in die Seele ein. Mit großem Mut aber nimmt sie schließlich Anlauf für einen zweiten Versuch glücklich zu werden.

Korschunow erzählt dieses Beziehungsdrama im Rückblick. Ihre Sprache ist nahezu hypnotisch, ihre Botschaft eindeutig. Denn die aufgeworfene Frage, ob ein Mensch die Aufopferung für seinen Partner im Grenzbereich zwischen Tod und Leben ertragen kann, beantwortet sie mit Nein. Die Frage allerdings, ob sich ein zweiter Versuch lohnt, wenn man bereits einmal auf die Nase gefallen ist, bejaht sie vorbehaltlos.

Irina Korschunow

Langsamer Abschied

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg

157 S., Euro 17,95

ISBN 978-3-4550-3998-6