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Intonateur Intonateur: Er gibt Orgeln den Klang

22.12.2011, 08:41
Der Orgel-Intonateur Matthias Ullmann spielt auf der Orgel der Georgenkirche in Frankfurt (Oder). (FOTO: DPA)
Der Orgel-Intonateur Matthias Ullmann spielt auf der Orgel der Georgenkirche in Frankfurt (Oder). (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Frankfurt (Oder)/dpa. - Matthias Ullmann ist einer von ihnen.

Die Einsamkeit großer Hallenkirchenprägt seinen Arbeitsplatz. In Gotteshäusern und Konzertsälenverbringt Matthias Ullmann viele Wochen im Jahr: Der Mann ausFrankfurt (Oder) stimmt Orgeln, gibt ihnen ihren individuellenKlang. «Jede Pfeife muss so klingen, wie die Nachbarin rechts undlinks neben ihr», sagt der gelernte Orgelbauer. Trotz meist kalterKirchen und Säle spricht er von schweißtreibender Arbeit: «DiePfeifen sind bis zu 8 Meter lang, müssen ein- und ausgebaut werden.»

Ullmann versucht, den Instrumenten den im 19. Jahrhundert üblichenKlang einzuhauchen. «Der ist samtig, warm, grundtönig», beschreibter. Damit eine Orgel so klingt, bearbeitet er die Pfeifen, drosseltoder verstärkt die Luftzufuhr. Zu seinen Werkzeugen gehören robustewie Feilen, Hobel und Stecheisen, aber auch filigrane, die eherZahnärzte nutzen. Der 53-Jährige intoniert nicht nur neue Orgeln,sondern arbeitet auch am Klang alter Orgeln, so nach Reinigungen.

Einen guter Klang vergleicht Ullmann mit einem Rotwein, der gutauf der Zunge liegt. «Die meisten Menschen mögen das», sagt er. DieZuhörer sollten eine gut klingende Orgel hören und nicht vor derMusik zurückschrecken. «Mir ist wichtig, dass sie freiwillig auf derBank sitzenbleiben und zuhören.»

Ullmann selbst spielt mehrere Instrumente und kann sich bei seinerArbeit auf ein absolutes Gehör verlassen, das ihm Musiklehrer schonfrüh bescheinigten. Das Stimmen der Pfeifen ist ein technischerVorgang und messbar, die Pfeife muss den richtigen Ton treffen. Dassdieser dann auch noch gut klingt, ist Sache von Intonateuren. EinIntonateur schneidet die Pfeife auf, wie bei einer Blockflöte, damitjede Pfeife besonders klingt, erläutert Martin Ludwig, seit etwa 25Jahren Orgelsachverständiger im Erzbistum Berlin.

Bis zu 1500 Pfeifen nimmt ein Intonateur in die Hand. «Er muss eingutes Mischungsverhältnis des 'Orgel-Orchesters' herstellen», sagtLudwig. Das gelte nicht nur für neue Orgeln, sondern auch fürInstrumente, die restauriert oder gereinigt wurden. «Die feinenÖffnungen setzen sich mit Staub zu und schon klingt das Instrumentanders.» Die Intonation benötigt etwa doppelt so viel Zeit wie derAufbau einer neuen Orgel. «Erst nach dem Aufbau beginnt diemusikalische Arbeit», so der Orgelsachverständige.

Seine Arbeit führte Ullmann quer durch Europa. Vor Weihnachten kamer aus Russland zurück. «Drei Viertel des Jahres bin ich unterwegs,den Rest zu Hause», berichtet er. Seit 1990 ist er freischaffendtätig. Im Urlaub ins Ausland? Diese Frage stellt sich ihm nicht. «Ichverbringe meinen Urlaub zu Hause.»

Schon als Kind kam Ullmann mit Kirchenmusik in Berührung. Erlernte zunächst Fernmeldemechaniker; später Orgelbauer in derFrankfurter Orgelwerkstatt Sauer. «Werden Orgeln neu gebaut, ist dieIntonation einer Orgel immer der abschließende Arbeitsschritt»,erläutert Thomas Lang, Orgelbaumeister in der W. Sauer OrgelbauFrankfurt (Oder) GmbH. «Das gesamte Instrument muss in einevernünftige Stimmung gebracht werden.»

Orgelbauer spezialisierten sich über die Zeit, arbeiteten mit Holzoder Metall oder dem Klang des Instruments. «Das ist eine Sache, dieüber die Jahre wächst.» Nicht alle Orgelbaubetriebe haben eigeneIntonateure und greifen auf Freischaffende zurück.

Ullmann ist in der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) - RegionOstbrandenburg eingetragen und gehört zur Gilde von insgesamt sechsregistrierten Klavierstimmern. «Klavierstimmer ist ein seltenerBeruf», sagt Fred Winter, Sprecher der Handwerkskammer. DerBundesinnungsverband für das Musikinstrumentenhandwerk in Düsseldorfwirbt um Nachwuchs. Bei Klavierstimmern und Intonateuren seien gutausgebildete Fachkräfte gefragt, sagt Lutz Denken, Geschäftsführerdes Bundesinnungsverbandes.

Der Intonation einer neuer Orgel folgt deren Weihe, ein Konzert,Beifall, vielleicht noch ein Empfang. Danach ist für Matthias Ullmanndie mehrwöchige Arbeit vorbei. Die Zeit bis zum nächsten Auftragfängt er mit Sport auf, trifft seine Tochter mit Enkelkind, genießtdie Ruhe, hört Musik. «Am liebsten leisen Jazz.» Den Heiligen Abendverbringt Ullmann wie seit Jahren: Er spielt in der FrankfurterGeorgenkirche die Orgel. «Musik ist mein Leben», sagt er leise.