Interview Interview: Schuld ist das Publikum
Halle (Saale)/MZ. - Wer hätte gedacht, dass es drei so unterschiedliche Charaktere so lange miteinander aushalten. Das Zwingertrio wird 30! Mit ihrem aktuellen Jubiläumsprogramm "Wenn Drei sich einig sind" blicken Tom Pauls, Peter Kube und Jürgen Haase aber nicht nur zurück. Zwar ist der Sozialismus unter-, die Wende über das Trio hinweg- und viel Alkohol durch sie hindurch gegangen, doch es stehen neue Probleme an. Südeuropa wackelt, der Euro strauchelt, das Klima kippt. Wohin? Die Antwort gibt es am 5. März um 20 Uhr im Steintor-Varieté Halle. Sylvia Pommert hat mit Tom Pauls gesprochen.
Ein Abend mit dem Zwingertrio - was erwartet das Publikum?
Pauls: Es wird ein Jubiläumsprogramm, in dem man die besten Geschichten und musikalischen Nummern aus 30 Jahren erlebt.
So gesehen erübrigt sich die Frage, wie viel Improvisation ist und wie viel Vorbereitung. Denn alles gab's ja schon mal.
Pauls: Nee, das kann man trotzdem fragen. Denn man darf nicht vergessen: An allem ist das Publikum schuld. Das macht sich eigentlich immer selbst sein Programm. Wie sich die Leute benehmen, wie sie aussehen, wie sie reagieren, das ist schon mal ein ganz wichtiges Element. Und dazu kommt, was an dem Tag, an dem das Programm läuft, in der Stadt, im Lande und insbesondere in der Welt passiert ist, das spielt eine Riesenrolle. Und das macht den größten Spaß.
Ein bisschen Rückschau ist aber trotzdem dabei?
Pauls: Es gibt immer ganz feste Größen, das ist klar. Es kann ja auch mal sein, dass das Publikum nicht reagiert - das ist uns zwar noch nicht passiert -, aber man muss ja immer damit rechnen.
Schwer vorstellbar, aber die Hallenser sind ja mitunter etwas hartleibig.
Pauls: Da gibt es, was das Publikum betrifft, Schlimmeres. Und da wir mit Peter Kube einen Hallenser unter uns haben, weiß er damit umzugehen.
Dann ist er auch etwas spröde?
Pauls: Na ja, er ist der Frontmann und damit verantwortlich für Ordnung und Sicherheit.
Sie haben das Zwingertrio schon zu Studienzeiten gegründet. Wie kann es so lange so gut gehen, zumal die Besetzung niemals wechselte?
Pauls: Wir kennen uns als Zwingertrio in- und auswendig. Dazu kamen einzelne Projekte. Mit Peter Kube war ich zum Beispiel am Staatsschauspiel engagiert. Das Geheimnis aber, so denke ich, ist, dass wir immer wieder etwas Neues gemacht haben. Und dass wir uns auf der anderen Seite auch aus dem Weg gegangen sind und jedem einzelnen seine künstlerischen Freiheiten gelassen haben. Seien es die Regiearbeiten von Peter Kube, seien es die Ausflüge zu Naturbühnen von Jürgen Haase als Winnetou oder jüngst im Störtebeker. Und meine Aktivitäten kennen Sie ja auch. Wir sind uns also nie auf den Geist gegangen.
Sie erwähnten Ihre "Aktivitäten". Tatsächlich bekommt man schon Schweißausbrüche, wenn man mal nachliest. Was macht Sie so rastlos?
Pauls: Wenn man die Welt mit offenen Augen betrachtet und sieht, was alles so im Argen liegt, dann kann ich nicht ruhig bleiben. Und wenn man auf der anderen Seite sieht, dass die Möglichkeiten so groß sind, und meine Ideen natürlich auch. Wenn Sie also meine Projekte mit Theatern sehen, sind dies durchaus Ergebnisse meiner Umtriebigkeit - das kann man so sehen - aber auch meiner Spleene. Als ich zum Beispiel im Biergarten am Blauen Wunder in Dresden saß, dachte ich: Eigentlich müsste man auf der Elbe Theater spielen. Drei Jahre später war es wahr. Oder als ich zum Bürgermeister von Pirna sagte: Wir bräuchten einen Sitz für die Ilse-Bähnert-Stiftung, und fünf Jahre später gibt es im Peter-Ulrich-Haus das Tom-Pauls-Theater... Also, am Anfang steht immer eine Idee, die belächelt wird. Und dann materialisiert sich das. Dass das so oft geklappt hat, ist schon eine Freude, und das treibt mich immer weiter.
Hm, aber Ihre Familie kennt Sie noch?
Pauls: Ja, wir wohnen noch unter einem Dach. Ich habe drei Kinder, die schon relativ selbstständig sind. Meine Frau kümmert sich da wirklich sehr. Ich habe allerdings leider bei allen Kindern nur ein einziges Mal einen Elternabend besuchen können. Das hat mir auch gelangt. Nur - das ist dann auch der Preis.
Sie haben das Tom-Pauls-Theater schon erwähnt, in dem es nicht nur Theater und Kabarett, sondern auch Kammermusik, Jazz und Literatur gibt. Es ist am 11.11.11 eröffnet worden. Ist das Datum auch Programm?
Pauls: Nein, mit Fasching hat das nichts zu tun. Es geht eher um Jubiläen und magische Daten. Die Quersumme vom 11.11.2011 ist Acht. Diese Zahl spielt eine Rolle, wenn es um Glück und Unendlichkeit geht. Und dann gibt es noch eine persönliche Beziehung, denn seit dem 11.11.81 bin ich mit meiner Frau verheiratet. Das sind jetzt 30 Jahre, und das ist ja auch eine Leistung, oder?
Stimmt, aber das funktioniert - um mal Ihre eigenen Argumente anzuführen -, weil Sie sich nicht so oft sehen.
Pauls: Oder man könnte durchaus auch abergläubisch werden: Meine Kinder sind aller sieben Jahre gekommen. Also ist das verflixte siebte Jahr scheinbar bei uns ausgefallen.
Sind Sie durch das eigene Theater weniger auf den Bühnen außerhalb Sachsens? Muss man nach Pirna fahren, um Sie zu sehen?
Pauls: Ich hoffe, dass man nach Pirna kommt, um mich und das Haus zu sehen. Aber ich bin auch noch sehr, sehr viel unterwegs. Gut, allzu viel zerreißt auch den Sack in Pirna, sagt man. Ich spiele dort im Schnitt acht Vorstellungen pro Monat. Und den Rest der Zeit bin ich auf Tournee. Auch in Dresden habe ich meine Zelte nicht abgebrochen. Das Musiktheater reizt mich nach wie vor. Ich brauche es, um mich frisch zu halten und weiterzubringen, auch im Ensemble wieder mal zu spielen und nicht nur Solo.
Im Pirnaer Theater gibt es ein Café. Kann man Sie dort auch antreffen?
Pauls: Ja, ab und zu. "Ilses Kaffeestube" ist benannt nach Ilse Bähnert. Die hängt dort auch als Porträt. Es gibt eine eigene Kaffeesorte, "Ilses Melange", die wir nach langem Verkosten kreiert haben. Der Kaffee wird eigens für uns in Pirna bei einer berühmten Rösterei geröstet. Es ist eine sehr schöne Mischung, die verträglich ist, sehr mild, aber nicht dünne. Es gab noch keine Reklamationen.
Keene Blärre?
Pauls: Nee, keene Blärre. Und dann gibt's einen eigenen Eierlikör und eine schöne Eierschecke.
So kann man auch im wörtlichen Sinne Ihren Geschmack erfahren?
Pauls: Ja, ich habe vorgekostet und habe die Ilse auch gefragt. Und die war einverstanden. Ich zum Beispiel trinke gar keinen Eierlikör, aber die Ilse leidenschaftlich gern.
Wie viel Kaffee trinken Sie so am Tag?
Pauls: Ich oder die Ilse?
Beide.
Pauls: Ilse trinkt mindestens drei Tassen Kaffee, und ich trinke eine. Morgens. Der Morgenkaffee ist das allerbeste, weil: "Solange noch der Magen nüchtern hängt, fühlt sich der Mensch belämmert und bedrängt. Doch kaum gluckst enne Dasse Kaffee nein, da zuckt ä Kräftestrom durch Mark und Bein. Drum lob ich mir mei Morgengöttertrank und sage jeder Bohne einzeln Dank. Denn was mir ooch geglückt is in mei Lähm, das hat mei Kaffeedopp mir eingegähm." Das ist einer der Lebenssprüche von Lene Voigt, die auch im Café hängt.
Einfach wunderbar! Aber nochmal zu Ilse Bähnert. Sie ist ja Witwe. Wieso findet sie denn keinen Mann?
Pauls: Die will nicht mehr. Die schlechten Erfahrungen mit ihrem Herbert ... Wenn man mal intim mit ihr spricht, dann erzählt sie das auch. Im Prinzip lässt sie auf ihn nichts kommen, aber wenn man mal ein bissel mehr bohrt … Der war dem Alkohol sehr zugewandt und hatte auch - das erfahren wir in dem neuen Krimi "Ilse Bähnert und der Frosch ohne Maske", das ist ein Kreuzfahrtkrimi auf der Elbe - ein Verhältnis in Berlin, zu den Weltfestspielen. Und das ist sehr schlimm für sie. Das kann sie ihm nicht verzeihen.
Und Günther Zieschong (Uwe Steimle) wäre jetzt auch kein Mann für Ilse?
Pauls: Nein, auf keinen Fall. Sie ist ja was Besseres. Beide bleiben ja auch per Sie. Sie mögen sich zwar und brauchen sich, hocken auch oft zusammen. Aber alles andere würde zu weit gehen.
Programme mit Ilse Bähnert und Günther Zieschong wird es aber auch in Zukunft geben, oder?
Pauls: Ja, da haben wir noch einiges vor. Wir werden ja dieses Jahr 20 Jahre. Gut, diese Partnerschaft war auch wieder mit großen Pausen verbunden. Aber hier spielt noch etwas anderes eine Rolle. Wir haben die Bildrechte vom MDR zurückgekauft, die Textrechte lagen immer bei uns. Nun ist alles geklärt, und wir wollen die schönsten Geschichten noch mal spielen. Im Sommer geht es los.