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Interview mit Rapper Sido Interview mit Rapper Sido: "Subjektiv bin ich der Beste"

18.02.2014, 10:22
Der 33-jährige Rapper Sido, heißt mit bürgerlichem Namen Paul Würdig.
Der 33-jährige Rapper Sido, heißt mit bürgerlichem Namen Paul Würdig. dpa Lizenz

Berlin/MZ - Vom Saulus zum Paulus? Sido, Pionier des harten Berlin-Rap, provozierte einst mit seinen Texten. Inzwischen ist er 33 Jahre alt, hat eine Familie gegründet und warnt Jugendliche vor Drogen. Nur Ärger mit der Justiz hat er immer noch. Nun erscheint Sidos fünftes Studioalbum „30-11-80“, mit dem er in Leipzig und Halle auftritt. Mit dem Rapper, der bürgerlich Paul Würdig heißt, sprach Olaf Neumann.

Über Twitter haben Sie dem Whistleblower Edward Snowden Asyl bei sich zu Hause angeboten. Warum?

Sido: Für mich ist Edward Snowden ein moderner Jesus. Er gibt sein normales Leben auf, um in Russland versteckt zu leben. Er tut es nicht für sein eigenes Wohl, sondern für das der Allgemeinheit. Das kommt Jesus schon sehr nahe.

Tun auch Sie etwas für das Allgemeinwohl?

Sido: Ich glaube schon. Einerseits durch meine Songs, andererseits durch Charity-Aktionen. Über Letzteres würde ich aber niemals öffentlich reden.

In dem Song „Hier bin ich wieder“ behaupten Sie, deutscher Hip-Hop sei ohne Sie nur ein Kinderspielplatz. Sind Sie zu Selbstironie fähig?

Sido: Ich finde deutschen Hip-Hop tatsächlich größtenteils langweilig und irrelevant. Bei jungen Rappern ist das Rebellische oftmals aufgesetzt. Weil sie glauben, so würden sie berühmt werden. Im Hip-Hop beherrschen viele ihr Handwerk nicht, für mich ist das ein Kinderspielplatz. Ich glaube diesen Leuten nicht. Deshalb halte ich mich immer noch für den Krassesten. Bei mir stimmt das ganze Paket: Ich kann richtig gute Songs schreiben und performen.

Was macht Sie da so sicher?

Sido: Objektiv betrachtet bin ich vielleicht gar nicht der Beste, aber subjektiv auf jeden Fall. Das klingt natürlich abgehoben. Oder, wenn Sie mögen, auch selbstironisch.

Ihre Texte sind mittlerweile ziemlich jugendfrei und rufen auch die Bundesprüfstelle nicht mehr auf den Plan. Keine Angst, zu lieb zu werden?

Sido: Nein. Ich hatte früher auch keine Angst, zu hart zu sein. Ich schreibe meine Texte so, wie mir die Schnauze gewachsen ist. Das einzige Kriterium ist, dass es mir selbst gefallen muss. Ich habe noch nie eine Platte herausgegeben, mit der ich nicht zufrieden war.

„Enrico“ ist ein Balkan-Beat über einen Sinto aus Marzahn, der auf dem Alexanderplatz mit seiner Gitarre Musik macht. Wie viel von Ihnen selbst steckt in dem Song?

Sido: Ich bin selbst ein Sinto und komme aus einer Hochhausgegend. Ich habe dieses wilde Leben geführt, um irgendwann mal zur Ruhe zu kommen. Diese Intention hat auch der Enrico in meinem Song.

Vor meiner Karriere habe ich auch mal Sozialhilfe bekommen, weshalb ich alle möglichen Schrottjobs machen musste: von Zeitungsaustragen über Altersheim putzen bis zur Gartenarbeit. Es war frustrierend.

Sie sind Sohn einer Sintiza und eines Deutschen. Was bedeuten Ihnen Ihre Wurzeln?

Sido: Ich kenne meine deutschen Wurzeln nicht. Mein Vater war nach meiner Geburt ganz schnell weg. Meine Kultur ist die der Sinti. Mittlerweile ist es bei uns nicht mehr so, dass der Mann auf der Couch sitzt und zuhause nichts macht. Ich selbst bin aber noch so aufgewachsen. Für mich waren mein Opa und meine Mutter die Oberhäupter unserer Familie. Sie gaben mir Halt und Liebe.

Ihre Großmutter war während des Dritten Reichs in einem KZ. Hat Sie oft darüber geredet?

Sido: Meine Großmutter hat das KZ mit viel Glück überlebt, sie wurden von den Russen befreit. Aber ihre gesamte Familie ist ermordet worden. Sie hat im KZ sogar Kinder bekommen, die aber nicht überlebt haben. Mein Opa war Partisan und kämpfte auf Seiten der Russen gegen die Nazis. Ich weiß von meiner Oma, dass er einige erledigt hat.

In Österreich hatten Sie kürzlich Ärger mit der Justiz. Es ist noch mal gut für Sie ausgegangen. Was tun Sie, damit die „guten Geister“ Sie nie wieder verlassen?

Sido: Einfach an die guten Geister denken. Es liegt an mir. Ich bin kein grundaggressiver Mensch. Aber ich habe sowas in der prägenden Zeit meiner Jugend „gelernt“. Das steckt irgendwie in mir drin. Heute weiß ich, dass ich ernsthaft an mir arbeiten muss. Damit ist schon mal ein Riesenschritt getan.

Sie leben heute in einem Haus im Grünen und sind gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Mussten Sie am Ende einfach bürgerlich werden, um Ihre dunkle Seite besser kontrollieren zu können?

Sido: Ich wollte immer ankommen beziehungsweise zur Ruhe kommen. Mit Frau und Kind im Grünen wohnen wird gemeinhin als bürgerlich bezeichnet. In meinen Augen ist das aber nicht spießig.

Ich mähe meinen Rasen, weil es mich entspannt und nicht, weil ich ihn besonders akkurat haben will. Ich schwinge mich auf meinen Traktor, setze mir einen Kopfhörer auf, rauche eine und fahre eine dreiviertel Stunde lang die Wiese ab. Das entspannt mich total. Ich fühle mich deshalb so wohl, weil ich gewisse Regeln nicht beachte.

Hat Sie das Vatersein auf den rechten Weg geführt?

Sido: Nein. Ich wollte diesen rechten Weg immer gehen. Für mich gehören Kind und Frau einfach dazu. Ich habe nie willentlich Unrecht begangen. Es ist aber leider passiert.

Hand aufs Herz: Taugen Sie wirklich zum Vorbild?

Sido: Ja. Ich wurde schon ein paarmal von entfernten Verwandten gebeten, mal mit ihren Söhnen zu reden, die gerade aus dem Ruder liefen. Das habe ich tatsächlich getan. Drei Wochen später bekam ich einen Anruf, der Junge sei wie ausgewechselt.

Was haben Sie den Halbwüchsigen gesagt?

Sido: Jugendlichen, die sozial abrutschen und mit 13 anfangen zu kiffen, kann ich erklären, warum ich das nicht für gut halte. Nämlich weil es nicht cool ist und weil sie sich damit einiges verbauen. Kiffen können sie ja auch später noch. Diese Kinder glauben mir, weil ich keine angelernten Taktiken anwende wie ein Sozialarbeiter oder Lehrer. Ich habe ja selbst viel Scheiße erlebt. Gerade deswegen glaube ich zum Vorbild zu taugen.

Sido tritt unter anderem am 27. Februar in Erfurt und am Tag darauf in Chemnitz auf, am 1. März spielt er im Leipziger Haus Auensee und am 2. März um 20 Uhr im Steintor in Halle.

Tickets unter anderem über: www.tim-ticket.de