Interview mit Ehepaar Beltracchi Interview mit Ehepaar Beltracchi: "Es hat sich nicht gelohnt"
Herr Beltracchi, bei der Lektüre ihrer Autobiografie fühlte ich mich an einen Schelmenroman erinnert. Sie erzählen die Geschichte eines Mannes aus einfachen Verhältnissen, der in höhere Sphären aufsteigt und diese dazu bringt, sich zu entlarven.
Wolfgang Beltracchi: Was meinen Sie denn mit höheren Sphären?
Den Kunstmarkt.
Wolfgang Beltracchi: Ach so. Das Buch ist ja kein Roman, sondern eine Autobiografie und auch ein Sachbuch. Aber es ist natürlich nicht ganz so ernst gemeint und mit einem Augenzwinkern geschrieben. Würde man das Thema ernsthaft behandeln, würde man ja kein einziges Exemplar verkaufen – und man bekäme sofort einstweilige Verfügungen ohne Ende.
Sie spielen da ein Spiel mit ihren Lesern. Bekennen sich zu einigen Fälschungen und legen Fährten zu anderen aus. Das ließe sich ja noch auf mehrere Bücher strecken.
Helene Beltracchi: Das ist aber nicht geplant. Um die Neugier der Journalisten zu befriedigen, müssten wir natürlich ein Werkverzeichnis schreiben. Mit Fotos und Angaben zum Verbleib. Aber wir wissen ja gar nicht, wo die Bilder sind, und ich weiß auch nicht, ob wir damit allen Sammlern einen Gefallen tun würden.
Im Film von Arne Birkenstock sprechen sie von 300 gefälschten Gemälden und Zeichnungen.
Wolfgang Beltracchi: Das müsste hinkommen. Man weiß das ja nie so genau. Ich hatte zunächst auch gedacht, dass ich 50 Maler gefälscht hätte. Beim Schreiben sind wir dann auf noch mehr Maler gekommen, da fällt einem der und der ein, während man sein Leben rekapituliert. Und dann werden es auf einmal immer mehr, und man denkt sich, na gut, der war nicht so wichtig, den lass ich jetzt mal weg. Oder der ist zu wichtig, den lass ich auch weg. Und dann sind wir letztlich auf etwa 84 Maler gekommen. Tatsächlich waren es wohl hundert, so in dem Bereich.
Helene Beltracchi: Das Malen ist ja nur ein kleiner Teil, meinen Mann fasziniert ja der gesamte Hintergrund: die Künstlerbiografie, die Literatur, die Briefe. Er hat alles über die Künstler recherchiert, ist an die Orte gefahren, an denen sie gearbeitet haben, hat sich natürlich die Originale angeschaut. Das war ja das Tolle, dieses Hineintauchen.
Stimmt, ihr Mann war nicht nur ein großer Fälscher, sondern auch ein sehr geschickter Betrüger. Sie hatten die nötige kriminelle Energie, um so erfolgreich zu sein.
Wolfgang Beltracchi: Ja, das hat man mir inzwischen bescheinigt, diese ausgesprochene kriminelle Energie. Das gehört ja wahrscheinlich dazu. Aber das ist ja jetzt vorbei. Die brauche ich jetzt nicht mehr.
Helene Beltracchi: Das wird nie wieder passieren. Wir haben genug Schaden angerichtet und machen den jetzt wieder gut. Dass wir diese Taten bereuen und dafür auch wirklich büßen, das können Sie uns schon glauben.
Es gibt den schönen Satz „Verbrechen zahlt sich nicht aus“. Wenn Sie die guten und die schlechten Jahre gegeneinander aufrechnen: Hat es sich für sie ausgezahlt?
Helene Beltracchi: Niemals, das hat sich nicht gelohnt. Es lohnt sich für nichts.
Wolfgang Beltracchi: Allein schon für die Untersuchungshaft: Niemals.
Aber hätten Sie das nicht schon von Anfang an wissen können?
Wolfgang Beltracchi: Ich war ja sehr jung, und Anfang der 70er Jahre war es eine ganz lockere Zeit. Dann wächst man da so rein, fängt mit irgendwas an, verkauft mal ein Bildchen auf dem Flohmarkt und dann geht es so weiter. Das geht dann viele Jahre immer gut, und man denkt gar nicht mehr darüber nach, dass das vielleicht mal nicht mehr gutgehen könnte. Als ich dann meine Frau kennenlernte, war es schon sehr lange gut gegangen . . . Das war sowieso das Schlimmste, dass ich meine Frau mit hineingezogen habe. Das bereue ich am meisten.
In ihrem Buch legen Sie großen Wert darauf, kein gescheiterter Künstler zu sein.
Wolfgang Beltracchi: Ich bin auf keinen Fall ein gescheiterter Künstler. Ich hatte in meiner Jugend ja durchaus Erfolg und hätte meine „eigenen“ Bilder sicher auch gut verkaufen können.
Helene Beltracchi: Außerdem ist die Malerei ja auch nicht das Einzige, was er macht. Man weiß nichts von seinen Skulpturen oder seinen Filmdrehbüchern.
Wolfgang Beltracchi: Ich habe witziger Weise mal in Nordrhein-Westfalen Filmförderung bekommen.
Aus dem Film ist ja leider nichts geworden
Wolfgang Beltracchi: Wie das so mit vielen Filmen passiert. Das lag daran, das 1989/90 der Kunstmarkt wegen des Börsencrashs zusammengebrochen ist. Da konnten wir die Finanzierung nicht mehr gewährleisten.
Ähnlich lief es beim falschen Campendonk-Gemälde, das sie ins Gefängnis brachte. Da fehlte ihnen das Geld, um das Bild zurückzukaufen. Wären Sie ohne diesen Engpass jemals aufgeflogen?
Wolfgang Beltracchi: Nein, ich glaube nicht. Wir haben damals ja alles versucht und sogar überlegt, ob wir nicht einen Tausch machen können. Ein Haus zu verkaufen, ging so schnell auch nicht.
Helene Beltracchi: Aber man kann ja auch sagen, dass es dadurch Gott sei dank zu Ende gegangen ist.
Wolfgang Beltracchi: Wir haben es uns nicht so schlimm vorgestellt – und haben jetzt das Schlimmste hinter uns. Meine Frau ist schon frei, ich folge hoffentlich bald. Wir haben zwar kein Geld mehr und die Häuser sind weg, aber wir fangen jetzt wieder neu an. Ich habe zwei Jahre wie ein Blöder gearbeitet, habe noch mehr Arbeit und weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Das habe ich so noch nie gemacht.
Der neuen Karriere steht nichts mehr im Wege.
Helene Beltracchi: Hoffen wir es für unsere Gläubiger, die ja sehr daran interessiert sind, einiges von ihrem Geld zurückzubekommen. Deshalb machen wir das ja alles.
Wolfgang Beltracchi: In Deutschland hat mir der Bundesverband Deutscher Galeristen praktisch ein Ausstellungsverbot verordnet, indem er seinen Mitgliedern mit Ausschluss droht, wenn sie mich zeigen. In anderen Ländern ist das eben anders. Ich habe eine Menge Anfragen.