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Hygiene-Museum Dresden Hygiene-Museum Dresden: «Der Gläserne Mensch» wird 75

Von Simona Block 23.05.2005, 08:16
Besucher betrachten im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden ein geschnitztes Modell des menschlichen Ohres von 1956 (Archivbild vom 22.04.2005). Das Exponat ist Teil der neuen Ständigen Ausstellung «Mensch-Körper-Gesundheit». (Foto: dpa)
Besucher betrachten im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden ein geschnitztes Modell des menschlichen Ohres von 1956 (Archivbild vom 22.04.2005). Das Exponat ist Teil der neuen Ständigen Ausstellung «Mensch-Körper-Gesundheit». (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Der Industrielle und Odol-Fabrikant Karl-AugustLingner wäre zufrieden: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, das andiesem Dienstag (24. Mai) seit 75 Jahren ein eigenes Gebäude hat,knüpft nun mit zeitgemäßen Mitteln an den innovativen Ansatz seinesGründers an. Nach Zeiten der Kompromisse ist der Wandel vom Domizilder Gesundheitserziehung im Sozialismus zu einem Universalmuseum vomMenschen vollzogen. Parallel dazu hat das Haus in der Nähe des GroßenGartens architektonisch den puristischen Stil seines Erbauers WilhelmKreis (1873-1955) zurückerhalten.

Museumsgründer Lingner (1861-1916) gehörte 1911 zu denProtagonisten der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung. 1912gründete er das Deutsche Hygiene-Museum, das aber erst mit der II.Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930 ein passendes Domizilerhielt. Während der Weimarer Republik trug es mit verständlicherPräsentation auf neuestem Stand der Wissenschaft zur Demokratisierungdes Gesundheitswesens bei.

Nach 1933 stellten die Nationalsozialisten das volksaufklärerischeGedankengut der Einrichtung in ihren Dienst. Das Mitwirken anrassehygienischer Propaganda gilt als finsterstes Kapitel derGeschichte des Hauses. Dies soll mit der Übernahme der Schau «DeadlyMedicine. Creating the Master Race» des Holocaust Memorial MuseumWashington 2006 thematisiert werden.

Die Bomben auf Dresden im Februar 1945 vernichteten auch großeTeile von Lingners Hygiene-Tempel und seiner wertvollen Bestände. Inder DDR hatte es eine vergleichbare Aufgabe wie die Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung im Westen. Nach der Vereinigungerhielt es 1991 als «Museum vom Menschen» eine neue Konzeption. «Essteht für die klassische Moderne und als Sinnbild des20. Jahrhunderts für den deutlichen Abstand zum barocken Selbstbildder Stadt», sagt Direktor Klaus Vogel.

Der umfassende Ansatz biete beste Chancen, zur internationalenSpitzengruppe der Wissenschaftsmuseen aufzurücken. Die seit EndeApril komplette neue Dauerausstellung zeigt auf 2500 Quadratmeternerstmals eine große Auswahl von rund 1400 Stücken der bedeutendenSammlungen. Das Museum beherbergt insgesamt mehr als 30 000 Objektezur Geschichte der Gesundheitsaufklärung und -pflege. 2004 kamen rund220 000 Neugierige trotz Baustellencharmes, 2005 hofft Vogel auf250 000 Besucher. Nach dem absoluten Tiefpunkt von 80 000 Gästen 1990stehe der Rekord bisher bei 225 000 im Jahr 2001.

Getragen wird das Haus von einer Stiftung. Bisher scheut sich derBund vor einem Beitritt, engagiert sich aber seit Jahren finanziell.Eine bis 2007 vereinbarte Sponsoringpartnerschaft mit einerVersicherung erleichtert die inhaltliche Arbeit. «Wir haben noch eineMenge guter Ideen, nur könnten wir sie ohne die Unterstützung nichtumsetzen», sagt Vogel. «Öffentliche Mittel reichen dafür nicht.» DasHaus sei auf dem Weg zu einem Forum zur disziplinübergreifendenBehandlung von Fragen der künftigen Wissensgesellschaft.

«Im Oktober eröffnen wir ein Kindermuseum», sagt Vogel. Dortkönnten Vier- bis Zehnjährige die fünf Sinne Riechen, Schmecken,Tasten, Hören und Sehen testen und spielend erlernen. «Damit erfülltsich der Traum vom Museum für die ganze Familie.» Allerdings lastetausgerechnet der etablierte Name des Hauses auf dem Erfolg: «Hygienelöst vielfach ein befremdendes Gefühl aus. Was in den 1930er Jahrenein Zugpferd war, ist heute ein Hindernis», sagt Vogel. Intern werdebereits länger über eine Namensänderung nachgedacht, wie derUntertitel "Museum vom Menschen" zeige. Vor weiteren Schritten sollaber national und international Rat eingeholt werden. «Ein neuer Namebedeutet auch Kosten.»