1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Historische Ansichten: Historische Ansichten: Grüße aus Teutschenthal

Historische Ansichten Historische Ansichten: Grüße aus Teutschenthal

Von andreas montag 13.11.2012, 19:41

teutschenthal/Halle (Saale)/MZ. - Es gibt nichts, das nicht gesammelt werden würde. Kuriose Dinge oft, von Bierhumpen bis zu Polizeiuniformen. Mike Leske aus Teutschenthal, 31 Jahre alter Student der Kunstgeschichte und Archäologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hat sich der Geschichte seines Heimatortes verschrieben.

Das sei ihm quasi in die Wiege gelegt worden, sagt Leske und verweist auf seinen geschichtsinteressierten Vater. Schon früh hat es den jungen Mann selber gepackt, er begann, Informationen und insbesondere Ansichtskarten zu sammeln, die mit Teutschenthal und seinen Ortsteilen Eisdorf und Teutschenthal-Bahnhof zu tun haben.

Diese Sammelleidenschaft, sagt Leske, habe sich schnell herumgesprochen in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis. Recherchen im Internet taten ein Übriges, so dass sich bald die Frage stellte, ob das Konvolut aus Ansichtskarten und Lithografien nicht in eine Auswahl gebracht und publiziert werden sollte.

Nun ist ein solcher Ehrgeiz nicht ungewöhnlich, er kann auch durchaus das private Interesse übersteigen und öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Dieser Fall dürfte hier allerdings eingetreten sein, schon sind zwei, allerdings kleine, jeweils 100 Exemplare starke Auflagen des Bandes "Schöne Grüße - Ansichtskarten und Lithografien aus Eisdorf, Teutschenthal & Teutschenthal-Bahnhof" unter die Leute gebracht - allerdings nicht nur in Teutschenthal, sondern auch weit darüber hinaus.

Nun liegt eine dritte Auflage des 163 Seiten starken Buches vor, das in jeder Hinsicht für sich einnehmen kann - zunächst schon als Buch selbst. Gedruckt auf schönem, starken Papier, klar gegliedert und in einem ansehnlichen Layout präsentiert, macht es Freude, den Band zur Hand zu nehmen. Zum anderen sind die insgesamt 158 historischen Ansichten nicht nur liebevoll reproduziert, sondern auch mit detaillierten Informationen des Chronisten versehen.

Mike Leske versäumt es dabei nicht, den Leihgebern und insbesondere der Familie Gerlach zu danken, die zwischen 1999 und 2003 die dreibändige Reihe "Teutschenthal in alten Ansichten" herausgegeben hat. Daneben, schreibt Leske in seinem Vorwort, seien ihm unter anderem die dokumentierten kunstgeschichtlichen Wanderungen des Historikers Erich Neuß (1899-1982) von großem Nutzen gewesen.

So wird das Buch nicht nur zu einer Chronik in Bildern, die vor allem das 20. Jahrhundert bezeugt, sondern auch zu einer anregenden Entdeckungsreise, die spannende Vorgänge vor dem Vergessen bewahrt. Herausragend ist hier die Geschichte der 1929 nach zweijähriger Bauzeit eingeweihten Schule Teutschenthal zu nennen. Die Ansicht des Neubaus macht staunen, den der Geraer Architekt Ernst Trommer entworfen hatte, "einen für die Zeit hochmodernen Wohn- und Lehrkomplex im Bauhausstil", wie Mike Leske schreibt. In der Tat ist die Anmutung des Bauwerkes faszinierend für eine Landgemeinde, so führend sie als ein Zentrum moderner Agrarwirtschaft auch gewesen sein mag.

Der Autor schreibt, das Gebäude und die dazu errichtete Wohnsiedlung seien damals eine Sensation gewesen und hätten auch in der überregionalen Presse nicht nur große Aufmerksamkeit erregt, sondern seien auch als besonders vorbildlich gepriesen worden.

Zu Recht. Mit Unterstützung des Preußischen Kultusministeriums war eine achtklassige Lehranstalt entstanden, zu der auch eine Turnhalle sowie eine Duschanlage und ein Wasserbecken im Keller gehörten. Dieser moderne Neubau sollte, so Leske, auch mit dem Vorurteil aufräumen, "dass eine Dorfschule primitiv sei und auf dem Lande die Schweineställe besser gebaut wären als das Schulhaus".

Freilich ist dem architektonisch gelungenem Bau keine lange Geschichte beschieden gewesen, jedenfalls nicht im ursprünglich gedachten und gebauten Sinne. Schon 1940 wurde die Schule grundlegend (und bis zur Unkenntlichkeit) verändert, ein Satteldach schuf Platz für ein Mansardengeschoss, in dem Lehrerwohnungen eingerichtet wurden. Und in der DDR-Zeit verloren dann auch die im Bauhaus-Stil errichteten Wohnhäuser durch aufgesetzte Spitzdächer ihr Gesicht.

Zu jedem der Bilder hat Mike Leske einen Text geschrieben, viele dieser Notate mögen tatsächlich nur von lokaler Bedeutung sein. In der Summe aber weist das Buch über den Ort, von dem es Zeugnis gibt, hinaus und schreibt ebenso präzise wie unsentimental ein Stück Zeitgeschichte.

Mike Leske: "Schöne Grüße", Selbstverlag, 25 Euro.

Bestellungen über: [email protected]