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"High Society" im Amsterdamer Reichsmuseum

07.03.2018, 11:09
Taco Dibbits, Direktor des Rijksmuseums. Hinter ihm hängen Porträts von Rembrandt van Rijn. Foto: Jeroen Jumelet
Taco Dibbits, Direktor des Rijksmuseums. Hinter ihm hängen Porträts von Rembrandt van Rijn. Foto: Jeroen Jumelet dpa

Amsterdam - Das Amsterdamer Reichsmuseum lud ein zur Galaparty, und alle sind gekommen: Mächtige Fürsten, exzentrische Aristokraten, reiche Patzer, Stars und Sternchen. Sie präsentieren sich in vollem Ornat und in voller Größe von Kopf bis Fuß.

39 lebensgroße Porträts aus vier Jahrhunderten sind in der Ausstellung „High Society” ab Donnerstag zu sehen. „Es sind Werke der besten Porträtmaler der Kunstgeschichte”, sagte Museumsdirektor Taco Dibbits am Dienstag in Amsterdam.

Es ist eine illustre Gesellschaft mit unter anderen Cranach, Velázquez, Reynolds, Rembrandt, Gainsborough, Monet oder Manet. Das Kuriose ist: Während die Maler ewigen Ruhm erlangten, sind die meisten der einst Mächtigen heute vergessen.

Ganzkörper-Porträts sind eher selten in der Kunstgeschichte, erläutert der Kurator Jonathan Bikker. Aus dem simplen Grund: „Es war immer schon teuer.” Rembrandt (1606-1669) etwa verlangte für ein zwei Meter hohes Gemälde sicherlich 1000 Gulden, was heute dem Preis einer Villa entspräche.

Wer sich malen ließ, der wollte damit auch sagen: Seht her, Leute, ich bin reich und mächtig. Die Eliten verband aber nicht nur Status und Geld. Sie waren auch nicht ganz uneitel. Für ihr Porträt putzten sie sich heraus mit der allerletzten Mode, fantastischen Uniformen oder Fantasiekostümen. Ein holländischer Regent ging sehr weit in seinem Geltungsdrang und posierte 1613 sogar pudelnackt vor dem Maler Goltzius als Herkules. Um strategische Stellen war ein Tuch drapiert, und in der Hand trug er eine Keule.

Die Ehrengäste dieser ganz besonderen Museums-Party sind aber Marten Soolmans und Oopjen Coppit. Rembrandt malte das Ehepaar 1634 - seine einzigen lebensgroßen Porträts. Marten und Oopjen sind nun zum ersten Mal nach umfangreicher Restaurierung wieder zu sehen. Die Hochzeitsporträts hatten 2016 einen heftigen Streit zwischen den Niederlanden und Frankreich ausgelöst. Schließlich hatten beide Länder je ein Bild von einem Privatsammler erworben, und nun werden sie abwechselnd mal im Reichsmuseum in Amsterdam und mal im Louvre in Paris gezeigt.

Frisch geputzt schaut das junge Paar nun aus den goldenen Rahmen herab, der schwarze Taft glänzt, die weiße Spitze leuchtet. Protestantisch nüchtern, wie das damals bei den holländischen Kaufleuten Sitte war, sollte man meinen. Wenn da nicht die übergroßen silbernen Rosetten auf den Schuhen von Ehemann Marten wären.

Eitelkeit war eben keinem fremd. Auch Heinrich der Fromme, Herzog von Sachsen, ließ sich 1514 von Lucas Cranach dem Älteren in aller goldenen Pracht abbilden. Ganz intim und locker posierte dagegen ein gewisser Dr. Pozzi 1881 für den US-amerikanischen Maler John Singer Sargent. Der damals berühmte Arzt zeigte sich lässig im roten Bademantel. Und so sieht man sofort, warum seine berühmteste Geliebte, die Schauspielerin Sarah Bernhardt, ihn spöttisch „Doktor Dieu” - Doktor Gott - genannt hatte.

Gerne umgaben sich die Rich&Famous der Geschichte auch mit tierischen Statussymbolen, vom Jagdhund übers Schoßhündchen bis zum Löwen. Die Marchesa Luisa Casati etwa - die Paris Hilton der Belle Epoque - ließ sich 1908 von Giovanni Baldini mit einem Windhund abbilden, farblich passend gekleidet versteht sich. Sie war schon zu Lebzeiten eine schräge Legende, erzählte Kurator Bikker. „Zu Festen servierte sie Opium und Kokain.”

Drogen gibt es nun im Reichsmuseum zwar nicht. Doch es erlaubt einen Blick durchs Schlüsselloch auf Laster und Lüste der besseren Gesellschaft. Auf rosaroten Wänden enthüllen rund 80 Stiche und Drucke aus der Sammlung des Museums das dunklere Leben der Eliten: Sex, Spiel, Saufgelage.

Und sieht man da nicht auf einem Stich das von Rembrandt so sittsam gemalte Pärchen Marten und Oopjen in eindeutiger Pose vor dem Kamin? Möglich wäre es: Denn der Künstler war ein Schüler Rembrandts. (dpa)