Hermann Kant Hermann Kant: «Kennung» hieße auch Kenntlichkeit
HALLE/MZ. - Man könnte das auch für eine gute Nachricht halten, wenn es denn nur der Wahrheitsfindung diente: Hermann Kant, früher Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes und einflussreicher wie machtbewusster Kulturnatschalnik, ist sich vollkommen treu geblieben. 83 Jahre alt inzwischen, hat der in Mecklenburg-Vorpommern lebende Autor einen neuen Roman veröffentlicht, der den zu schönsten Erwartungen berechtigenden Titel "Kennung" trägt. Doch Kennung hieße eben auch Kenntlichkeit, und daran hapert es hier nicht nur gewaltig, sie ist offenbar auch gar nicht gewollt. Da steht Kant in guter Tradition seiner nach dem Ende der DDR publizierten Druckwerke: Artistisch sämtlich, fintenreich gedrechselt und von verschlungenen Satzwürmern durchzogen, bezeugen sie wohl das Vergnügen des Herstellers an seinem Produkt - nur liegt über dem, was Kant gewiss erzählen könnte (womit er auch immer kokettiert) der Nebel des Ungefähren.
Im vorliegenden Fall ist der vom Verfasser ausgelegte Köder noch von besonderem Duft: Linus Cord, sein Protagonist, ist ein aufstrebender Kritiker und schickt sich an, ein "beträchtlicher Essayist" zu werden. Bis einer der "Geheimen" von der Stasi bei ihm klingelt und ihn an seine Wehrmachtsvergangenheit erinnert. Linus aber hat keine Lust, sich als Spitzel anwerben zu lassen, auch der unmissverständliche Hinweis auf seine Genossenschaft mit der staatstragenden Einheitspartei bringt ihn zu keinen anderen Schlüssen.
Wortreiche Scharmützel liefern sich die beiden, später werden noch wichtigere Geheime hinzustoßen, Linus soll verwickelt werden. Die Sätze Kants erweisen sich in Sachen Undurchsichtigkeit dem Geschilderten als wenigstens ebenbürtig. Dabei hatte man doch irgendwie gehofft, dem Autor gelänge es einmal, über den Schatten seiner Legenden zu springen und etwas über sich (oder doch über Linus Cord) und sein (oder dessen) wahres Verhältnis zu Staat und Macht und Sicherheit zu sagen.
Stattdessen gründelt Kant in bekannten Erinnerungen an seine Kriegsgefangenschaft. Lesefreude, Erkenntnisgewinn? Sie stehen dahin. Und die Nebel wallen wunderbar. FOTO: LUTZ WINKLER
Hermann Kant: Kennung. Roman, Berlin, Aufbau, 250 Seiten, 19,95 Euro.