Helge Schneider Helge Schneider: Sag zum Abschied leise Boogie

Leipzig - Den Spruch hat er selbst ausgedacht und in Umlauf gebracht. „Singende Herrentorte“ nannte sich Helge Schneider vor einem Vierteljahrhundert, um sein seinerzeit noch weithin unbeachtetes Schaffen als Humorist und Musiker einzuordnen.
Mit Erfolg: Die Bezeichnung hat den von der Ruhr stammenden Sänger, Jazzmusiker und Filmemacher nie mehr verlassen. Wenn Helge Schneider, inzwischen 59 Jahre alt und mit seinem aktuellen Album „Sommer, Sonne, Kaktus“ so erfolgreich wie noch nie, am Mittwoch- und Donnerstagabend mit Auftritten in Leipzig und Magdeburg seine Karriere als Tourneekünstler beendet, wird er das als eben jene Herrentorte tun: Schneider kredenzt ein letztes Mal seinen musikalischen Humor-Kuchen mit der unvergleichlichen Komik-Kuvertüre aus herber Jazz-Schokolade.
Das Lachen im Absurden
Und die Leute werden lachen, oft sogar, ohne sagen zu können, worüber eigentlich. Denn Helge Schneider, der nach Jahren als Studiomusiker, Schauspieler und Co-Moderator erst jenseits der 30 sein erstes eigenes Album vorlegte, ist eigentlich nicht witzig. Weder reißt er Zoten noch glänzt er mit politischem Kabarett, er kommt nicht aus der amerikanischen Stand-Up-Comedy-Tradition noch fühlt er sich der klassischen Slapstick-Schule verpflichtet. Schneider, meist eine verzottelte Dandy-Frisur übergestülpt, sucht das Lachen im Absurden. „Hast Du eine Mutter/ dann hast Du immer Butter“ oder „Katzeklo/ Katzeklo /ja /das macht die Katze froh“, sind Geniestreiche des Humor-Anarchisten aus dem Ruhrgebiet, der von sich selbst sagt, er suche eigentlich „den Sinn im Unsinn“.
Ein schmaler Grat, auf dem ihm sein treues Publikum nicht immer bereitwillig gefolgt ist. Schneiders Ansatz, die musikalischen Methoden des Jazz in die Witzproduktion zu übertragen, setzt ihn von Anfang an Missverständnissen aus. Schneider gilt als bloße Bühnenfigur, er gilt als jederzeit und überall lustig, er ist nicht Entertainer mit eigenem Stil, sondern Botschafter des schlechten Geschmacks. Kündigt er ein „kleines, sentimentales Liedchen“ an, ist klar, dass er sobald nicht singen wird. Erst muss der Gedankenfluss noch in Nebentäler mäandern, muss von „Klodeckelantilopen“ und „44 Meter hohen Brüllwürmern, die nur acht Zentimeter lang sind“ erzählt und endlos am engen Anzug herumgezippelt werden.
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Im Grunde ist das immer ernst; ein Spiel mit Worten, Bedeutungen und Doppeldeutigkeiten, das Helge Schneider mit sich selbst spielt. Einmal, als er sich auf dem Weg zu einem Konzert in einem kleinen thüringischen Ort heillos verfahren hatte, griff der Entertainer zum Handy und rief einen völlig ahnungslosen Mann im fernen Würzburg an. „Hier Schneider“, sprach der Star umstandslos, „sagen Sie mir mal, wie ich nach Steinbach komme“. Welcher Schneider bitte, verlangte der Angerufene zu wissen, und was er überhaupt in jenem Steinbach wolle, das er ja gar nicht kenne. Schneider antwortete, wie nur Schneider antworten kann: „Ich gebe da heute Abend ein Gastspiel, nur wenn ich nicht da bin, gebe ich kein Gastspiel“.
Für Helge Schneider, der mit dem Album „Es gibt Reis, Baby“ seine Fahrkarte in den Pop-Olymp löste, war es nie ein Problem, nicht verstanden zu werden. „Ich spiele das doch nicht“, sagte er, „ich lebe mein Leben lang so“. Keine blödelnde Kunstfigur, sondern ein ernstzunehmender Künstler will er sein - was seine Fans zuweilen überfordert. Bei einem Auftritt in Halle ist der studierte Pianist Mitte der 90er Jahre sichtlich am Ende: Er will swingen, will Sinatra und Goodman, Bach, Boogie und Dixieland bringen mit seiner Band, die er „Hardcore“ nennt. Aber das Volk, das er mit epischem Unsinn wie „Dubiduppdubi“ oder „Telefonmann“ gerufen hat, möchte nicht diatonische Akkordfolgen hören, sondern sich zu gloriosen Gedichten wie „Der Rabe ging im Wald spazieren/ da fällt der Weizen um“ auf die Schenkel schlagen.
„Arschlöcher, die immer nur das Eine wollen“
Die dünne Haut des Helge Schneider wird an solchen Abenden sichtbar. Auf der Bühne wütet er dann schon mal über „Arschlöcher, die immer nur das Eine wollen“, ehe er doch weiterspielt. Dahinter zeigt er später Verständnis. „Die Leute sind ja doof, die denken, ich bin so eine Art Trend“, sagte er, „bin ich aber nicht - ich bin Entertainer, das ist doch mein Beruf“.
Knapp an einer klaren Aussage vorbei, das kann er am besten. Auch seinen Abschied hat Helge Schneider, der sich derzeit „Pretty Joe“ nennt, auf diese Weise eingereicht. „Ich kann mir durchaus vorstellen, zwei, drei, vier Jahre oder sogar noch länger nix zu machen“, hat er vor seiner aktuellen Tournee mit der neuen Band angekündigt, die jetzt „Die Dorfschönheiten“ heißt. Am Mittwochabend in Leipzig und am Donnerstag in Magdeburg darf sie noch einmal gekostet werden, die singende Herrentorte.
Helge Schneider live am Mittwoch in Leipzig auf der Parkbühne, am Donnerstag auf der Seebühne in Magdeburg, Beginn jeweils 20 Uhr, Restkarten an der Abendkasse (mz)